Ein Festival zu Trauer, Trost und Sterben
Die Themen Tod und Abschied aus der Tabuzone holen - das will ein Angebot der Evangelischen Kirche in Berlin
Tod und Trauer sind ein Teil des Lebens. Eigentlich eine banale Erkenntnis. Trotzdem sind die Themen in unserem Alltag noch immer stark tabuisiert. In Berlin läuft gerade ein Versuch, daran etwas zu ändern: Zehn Tage lang, bis zum Totensonntag, dreht sich in und um die Thomaskirche auf dem Mariannenplatz alles um Tod und Trauer. „Endlich – ein Festival zu Trauer, Trost und Sterben“ ist das Ganze betitelt. Die Doppeldeutigkeit des Wortes „endlich“ verweist auch auf das Füllen einer lang bestehenden Lücke.
„Es gab eine große Resonanz, viele hatten Interesse, mitzumachen“, sagt Andrea Kuhla, eine der vier Initiatorinnen des Festivals. Die Pfarrerin ist auch als Trauerbegleiterin tätig und wie ihre Mitstreiterinnen gut vernetzt. „Wir arbeiten mit Bestatter:innen eng zusammen, über das übliche Maß hinaus“, berichtet sie. „Das ist das Beste, was passieren kann.“ Im letzten Jahr gab es bereits ein kleineres Projekt auf dem Friedhof. „Schon da haben wir gemerkt: das Thema braucht eigentlich mehr Raum.“
Diesen Platz bekommt es nun, mit einem Programm das Workshops, Gespräche, Führungen, aber auch kreative Angebote umfasst. Mit dabei sind Bestatter:innen, Trauerrednerinnen, Expert:innen für Friedhofskultur, aber auch Tatooartists, Musiker und andere Künstler:innen. Veranstaltet wird das Festival von Kirchenkreis, Kirchengemeinde, Segensbüro, dem Friedhofsverband und dem Jugendkirchenprojekt „Unbox“.
Viele Zugänge, neue Zielgruppen
Es geht darum, möglichst viele Perspektiven sichtbar zu machen. „Wir wollen uns von gängigen Narrativen lösen und das Thema öffnen“, sagt Kuhla. „Zeigen, dass es mehr bedeutet als Dunkelheit und Tränen.“ Die Angebote sollen niedrigschwellig sein, und viele interessieren. Eintritt wird nicht verlangt, die Teilnahme an den Angeboten erfolgt auf Spendenbasis, für ein paar muss man sich vorher anmelden. „Man kann schnuppern, oder sich tiefer hineinbegeben“, so Kuhla. So gibt es für diejenigen, die intensiver einsteigen möchten, etwa eine symbolische Totenversorgung, die zeigt, wie ein Leichnam gewaschen und eingekleidet wird – Rituale die früher noch häufiger von Angehörigen selbst ausgeführt wurden.
Auf der anderen Seite stehen Angebote wie ein Singalong mit Lieblingssongs zum Abschiednehmen, die einen anderen, leichteren Zugang ermöglichen und sich thematisch über den Trauerfall hinaus öffnen. So gibt es etwa auch ein Panel zum Thema „Weltschmerz“. Denn: „Es gibt Trauer mit und ohne Tod“, sagt Kuhla. „Im Grunde sind wir alle Trauernde, müssen mit Verlusten und Abschieden umgehen.“
Geöffnet werden soll auch in Richtung neuer Zielgruppen. Es gibt eigene Angebote für junge Menschen. „Kinder haben eine eigene, unmittelbare Art, mit Tod und Abschied umzugehen“, sagt Andrea Kuhla. Es gehe darum, Berührungsängste abzubauen und sie „ranzulassen ans Thema“. Dies kann etwa bei der Beschäftigung mit Bilder- und Sachbüchern geschehen oder bei einem Workshop, der Kindern dabei helfen soll, eine „gesunde Abschiedskompetenz“ zu entwickeln.
Fortsetzung geplant
Einen weiteren Zugang zum Thema schaffen die kreative Angebote. Interessierte können Blumenschmuck, einen Sargdeckel und Urnen mit gestalten oder sich ein Tattoo stechen lassen. „Diese Angebote werden von den Menschen sehr gewünscht“, wie Kuhla aus ihren bisherigen Erfahrungen weiß.
Bewährt sich das Festival-Konzept, so soll es im nächsten Jahr auf jeden Fall weitergehen. „Wir könnten zukünftig noch sehr viel mehr machen“, ist Kuhla überzeugt. Etwa den Blick auf andere Kulturen und ihren Umgang mit dem Tod richten – etwa den mexikanischen „Dia de los Muertos“, der in Berlin auch schon präsent sei. Finanziell gefördert wird das Festival vor allem durch den Kirchenkreis, eine Unterstützung kommt außerdem vom Verein „Andere Zeiten“.
Jörg Echtler