„Einsamkeit fühlt sich an Weihnachten anders an“

Telefonseelsorge rund um die Feiertage

Nicht jede und jeder kann Weihnachten im Kreis der Familie feiern. Viele Menschen spüren gerade an den Feiertagen die Einsamkeit. Auch für die Telefonseelsorge sind die Weihnachtstage daher eine besonders herausfordernde Zeit.

Handy mit der Anzeige Telefonseelsorge auf einem kleinen Holzkreuz

Handy mit der Anzeige Telefonseelsorge

Magdeburg (epd). Wenn in wenigen Tagen viele Familien unter dem Tannenbaum zusammensitzen und Weihnachten feiern, wird Beate Seibert telefonieren. An beiden Feiertagen ist sie jeweils vier Stunden im Dienst, um sich die Sorgen und Nöte anderer Menschen anzuhören und ihnen einen aufmunternden Ratschlag mit auf den Weg zu geben. Seibert engagiert sich ehrenamtlich bei der Magdeburger Telefonseelsorge. Dort ist auch rund um das Fest wieder viel los.

„Es sind besondere Gespräche, die ich rund um Weihnachten führe“, erzählt Seibert. Sie seien tiefgründiger als sonst. Dabei spielten besonders Themen wie Einsamkeit oder persönliche Sorgen eine Rolle. „Es sind nicht unbedingt mehr Menschen, die an Weihnachten anrufen“, sagt die ehrenamtliche Seelsorgerin, die sich auch in der evangelischen Kirche engagiert. Aber die Qualität der Gespräche sei anders. „Die Leute sind nachdenklicher“, meint Seibert: „Das Problem Einsamkeit fühlt sich an Weihnachten anders an.“

Häufig suchten Menschen, die einsam seien, die Schuld bei anderen oder der Gesellschaft. An Weihnachten fingen viele an, anders darüber nachzudenken, meint die Telefonseelsorgerin. „Und das gefällt mir an dieser Gesprächssituation.“ Hinzu komme, dass seit den Corona-Lockdowns die Vereinsamung nach ihrer Beobachtung deutlich zugenommen hat. „Früher war das nicht so, dass ich so viele Anrufer hatte, die sich nur auf das Thema Einsamkeit beziehen.“ Während der Pandemie sei viel kaputt gegangen an zwischenmenschlichen Beziehungen.

Auch Pfarrerin Anette Carstens bestätigt diese Beobachtungen. Sie leitet seit mehr als sieben Jahren die Magdeburger Telefonseelsorge. Die Zahl der Anfragen nimmt zu. Gut 13.300 waren es bisher im laufenden Jahr nach etwa 13.000 im vergangenen Jahr sowie bis zu 12.700 in den Corona-Jahren 2020 und 2021.

Rund um die Feiertage kämen viele Dinge zusammen, sagt die evangelische Pfarrerin. Die Kälte, die dunkle Jahreszeit, die heimelig-gemütliche Stimmung, die veränderte Musik im Radio, die vielen Weihnachtsmärkte oder schlicht der Blick auf den Kalender zeigten, dass die Feiertage näher rückten.

„Vermutlich ist man sonst einfach ein wenig arrangierter mit der Einsamkeit“, meint die Pfarrerin. Doch in diesen Tagen würden bei vielen Menschen Sehnsüchte und Erinnerungen wach, sagt Carstens. Nicht immer würden die Anrufer Einsamkeit als das eigentliche Problem benennen. Da gehe es in Gesprächen beispielsweise um den Tod eines nahen Angehörigen, dass die Kinder weit weg wohnten oder dass mancher durch Krankheit eingeschränkt sei. „Einsamkeit hat verschiedene Weisen, sich zu zeigen“, sagt die Seelsorgerin. Und sie betreffe längst nicht nur ältere Menschen. Auch viele Jüngere lebten seit der Corona-Zeit zurückgezogen.

Nicht nur die Einsamkeit trübt vielen Menschen die Festtagsstimmung. Auch äußere Krisen nehmen nicht ab. Nach Corona sind es vor allem der Ukraine-Krieg und dessen Auswirkungen wie steigende Energie- und Lebensmittelpreise. Der Terrorangriff auf Israel habe viele Menschen schockiert. Die äußeren Krisen seien mittlerweile seltener ein Thema bei den Anrufern. „Vor einem Jahr war das sehr viel stärker“, sagt Pfarrerin Carstens. Die politischen Fragen stünden in der Telefonseelsorge ohnehin immer hinter den persönlichen zurück. „Es geht darum, was die Person selbst umtreibt, was gerade schwer auszuhalten ist.“

Beate Seibert hat ihre Weihnachtsvorbereitungen bereits erledigt. Obwohl sie an den Feiertagen bei der Telefonseelsorge Dienst habe, sei sie an Weihnachten für ihre Familie da, die ihr Engagement unterstütze. „Manche Anrufer wollen auch die Weihnachtsfreude teilen“, erzählt sie. „Und die Arbeit macht mich zufrieden. Ich bekomme ja von den Menschen etwas zurück.“

Von Oliver Gierens (epd)

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