Was Familien brauchen

Kirche setzt sich für Familie ein

Ehe und Familie sind für den christlichen Glauben gute Gaben Gottes. Die evangelische Kirche sieht in ihnen die grundlegende und exemplarische Form menschlichen Zusammenlebens. Die Kirche erinnert Frauen und Männer an die Maßstäbe, die für das Zusammenleben in Ehe und Familie unerlässlich sind: gegenseitige Liebe und Anerkennung, Verlässlichkeit und Treue im Miteinander, die Bereitschaft, in guten wie in schweren Tagen füreinander Verantwortung zu tragen, die Fähigkeit, an Konflikten zu arbeiten, Kompromisse einzugehen und Gegensätze zu ertragen. Diese Maßstäbe haben ihre Grundlage in dem Bekenntnis dazu, dass Frauen und Männer gleichermaßen zum Ebenbild Gottes geschaffen und mit Menschenwürde begabt sind. Die Liebe in Ehe und Familie findet deshalb ihr Maß darin, "wie sehr es ihr gelingt, sich auf die ganze Lebensgeschichte eines anderen Menschen einzulassen und mit ihm auch dann Gemeinschaft zu halten, wenn diese Geschichte beide verändert und schließlich Krankheit und Alter ihren Tribut fordern" (Ehe und Familie 1994. Ein Wort des Rates der EKD aus Anlaß des Internationalen Jahres der Familie 1994, EKD-Texte 50, S. 7).

Das neuerliche Erstarken des Familienwunsches innerhalb der nachwachsenden Generation stellt eine erfreuliche Entwicklung dar. Es gehört zu den Wirkungen des Evangeliums in der Geschichte, Partnerschaft und Mündigkeit in den Beziehungen der Menschen untereinander zu eröffnen und diese durch Ordnungen zu schützen. Diese Ordnungen haben ihren Wert nicht in sich selbst. Auch die Familie ist um des Menschen willen da und nicht der Mensch um der Familie willen. Eine besondere Aufgabe der Familie ist die der Erziehung von Kindern. Sie sind ihren Eltern anvertraut, damit diese sie ins Leben hinein führen. Dazu gehört, ihnen Gelegenheit zu geben, „dem in Jesus Christus gegenwärtigen, handelnden und offenbaren Gott zu begegnen“ (Karl Barth).

Zur Rechtsform der Ehe wird (erstmalig in der Stellungnahme des Rates zum evangelischen Eheverständnis von 1970) betont, dass es in allen Kulturen Formen der öffentlichen Anerkennung gibt, dass aber die jeweilige Rechtsform sich den gesellschaftlichen Veränderungen anpassen muss. Durch alle solche Anpassungsprozesse hindurch bleibt es der besondere Vorzug der durch Öffentlichkeit und bindende Rechtsbeziehungen bestimmten Rechtsform der Ehe, dass sie geeignete Grundlagen für Verbindlichkeit und Verlässlichkeit schafft. Die Bereitstellung und Anpassung rechtlicher Regelungen für die Ehe sind Aufgabe des Staates, solange diese die freie Gattenwahl, Eheschließung auf Lebenszeit und Einehe garantieren. Die Akzeptanz des Scheidungsrechts basiert auf dem Wissen von der Möglichkeit des Scheiterns von Beziehungen. Von daher ist die Unauflöslichkeit der Ehe mit rechtlichen Mitteln nicht durchzusetzen.

Umso wichtiger ist es für die Kirche, in ihren Bemühungen nicht nachzulassen, die Menschen bereits frühzeitig zu Verlässlichkeit und Übernahme lebenslanger, wechselseitiger Verantwortung unter dem Schutz der Institution Ehe zu befähigen und zu ermutigen. Auch wenn es in unserer Lebenswirklichkeit verschiedene Formen des Zusammenlebens von Frau und Mann gibt, so ist doch aus evangelischer Sicht die auf Dauer angelegte Gemeinschaft in einer Ehe dafür die geeignetste Form. Mit ihrem Angebot fachkundiger Familien- und Lebensberatung und ihrem vielfältigen familienbezogenen Bildungsengagement von den Kindergärten bis zu den Familienbildungsstätten will die Kirche den Familien angesichts der Vielfalt von Lebensentwürfen und Lebensstilen Werte vermitteln, eine Orientierung ermöglichen und ihnen in kritischen Lebenssituationen helfen, ihre Konflikte zu bewältigen.

Notwendig ist allerdings auch, in der gesellschaftspolitischen Diskussion einzutreten für eine Neubesinnung über das Verhältnis der Werte von Mobilität und Veränderung und denen der Beständigkeit und Verlässlichkeit. Langfristige Perspektiven dürfen nicht modischer Kurzfristigkeit geopfert werden.

In jüngster Zeit tritt die Förderung der Kinder unabhängig vom familienrechtlichen Status der Eltern immer stärker in den Vordergrund. In der EKD-Stellungnahme „Gottes Gabe und persönliche Verantwortung. Zur ethischen Orientierung für ein Zusammenleben in Ehe und Familie“ (1998) heißt es: „Da, wo Kinder geboren werden, entsteht Familie: Familie wird durch Elternschaft konstituiert.“ Damit werden alle Verantwortungsgemeinschaften von ein oder zwei Erwachsenen mit ihren Kindern als Familien anerkannt, die kirchlicher Unterstützung gewiss sein können und nach Art.6 GG einen Anspruch auf den besonderen Schutz des Staates haben.

Die EKD tritt nach wie vor dafür ein und ermutigt dazu, dass Kinder im Rahmen von Ehe und Familie aufwachsen können; sie bestärkt Eltern darin, in ihren biographischen Planungen auf das Aufwachsen von Kindern Rücksicht zu nehmen und sich dafür Zeit zu nehmen. Aber die Kirche sieht zugleich die Notwendigkeit, der veränderten Lebenswirklichkeit gerecht zu werden, in der immer mehr biographische Situationen dazu führen, dass Eltern ihre Kinder nicht im Rahmen der Institution Ehe erziehen. Darin liegt nach den einschlägigen empirischen Befunden oft keine Entscheidung gegen das Leitbild der Ehe; vielmehr hat dies vielfältige Ursachen in der Lebensgeschichte der Einzelnen, in ihren Beziehungen sowie in den sozioökonomischen Rahmenbedingungen. Daher ist es notwendig, den Ursachen, die Eheschließung und Familiengründung behindern, weiter nachzugehen und bei deren Überwindung zu helfen. Das gemeinsame Wort der beiden großen Kirchen „Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit“ (1997) enthält hierzu grundlegende Aussagen.

Die Kirche wendet sich dem Bereich von Ehe und Familie in verschiedenen Formen zu. Dazu gehört die familienfreundliche Gestaltung des kirchlichen Lebens, eine Begleitung von Kindern und Jugendlichen, die ihre Familien einbezieht, aber auch ein Umgang mit alten Menschen, der die Gemeinschaft der Generationen stärkt. Zu den vorrangigen kirchlichen Aufgaben zählt es unter den heutigen Bedingungen, die Familienbildungsarbeit zu stärken und Vorsorge dafür zu treffen, dass Ehen und Familien in Konflikten Begleitung finden, dass ihnen Gottes Vergebung zugesprochen wird und sie so zum gemeinsamen Neubeginn ermutigt werden.

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