Fachleute streiten auf Kirchentagung über Sport und Politik

Ist Sport politisch oder hat er nichts mit Politik zu tun? Auf einem Fachtag der evangelischen Kirche stritten Fachleute auch über die Zulässigkeit von Boykottmaßnahmen.

Motivbild sportethischer Fachtag

Frankfurt a.M. (epd). Vertreterinnen und Vertreter von Sport, Wissenschaft, Behörden und Kirche haben auf dem 5. Sportethischen Fachtag der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) kontrovers über das Verhältnis von Sport und Politik diskutiert. Der Sportbeauftragte des EKD-Rates, der rheinische Präses Thorsten Latzel, wies am Dienstag in der Evangelischen Akademie Frankfurt am Main auf die bis in die Antike reichende Verbindung zwischen Politik und internationalen Sportereignissen hin. Sport könne wie Religion nicht unpolitisch sein, sagte er.

Die Frage sei, ob der Sport eine offene zivile Gesellschaft fördere oder jegliche Politik hinnehme, sagte Latzel. Die Entscheidung für Katar als Ausrichterland der Fußball-WM 2022 stellte er daher infrage. Wo Menschenrechte massiv verletzt würden, müsse der Instrumentalisierung des Sports durch die Politik widersprochen werden.

„Politik und Sport sind keinesfalls zu trennen“, bekräftigte das Mitglied der deutschen Nationalmannschaft im Säbelfechten, Léa Krüger. Sportlerinnen und Sportler begäben sich in ein Abhängigkeitsverhältnis im Sportsystem und müssten darauf vertrauen können, dass die Verbände ihre Werte wie etwa Frieden auch einhielten. „Sobald man Werte verkörpert, ist man politisch“, sagte Krüger.

„Sport und Fußball sind und waren noch nie unpolitisch“, stimmte die Soziologin und ehemalige Vorsitzende des Frankfurter Fußballfan-Vereins „Unsere Kurve“, Helen Breit, zu. Wer wie der Deutsche Fußball Bund (DFB) gegen Diskriminierung sein wolle, könne nicht unpolitisch bleiben. Die Vereine müssten auf Fans verzichten, die für Diskriminierung und Ausgrenzung Stimmung machten. Breit forderte darüber hinaus die Behörden dazu auf, den Fußballmarkt zu regulieren, um das „Kulturgut Fußball“ vor der Kommerzialisierung zu schützen.

Der Leiter der Abteilung Sport im hessischen Innenministerium, Jens-Uwe Münker, begrüßte den Ausschluss russischer Athleten von internationalen Wettkämpfen. Die Sportorganisationen dürften Ereignisse wie den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine nicht ausblenden. Die Verbände müssten auf Integrität achten, wo sie Steuergeld verwendeten.

Eine Gegenposition nahm der Aachener Sport- und Kulturwissenschaftler Sven Güldenpfennig ein. Er betonte die Autonomie des Sports von der Politik. Daher wandte der Wissenschaftler sich auch gegen den Boykott von Sportveranstaltungen aus politischen Gründen. Die Kampagne gegen Katar als Ausrichterland der Fußball-WM 2022 sei „unbillig“ gewesen. Ein Boykott sei nur gegen wenige Staaten wie Nordkorea denkbar, die sich gegenüber der Welt abschotteten und einen freien Zugang zu Wettkämpfen behinderten.

Das Einhalten von Menschenrechten könne nicht die Voraussetzung für das Ausrichten von Sportereignissen sein, sagte Güldenpfenig. Sonst könnten überhaupt keine internationalen Wettkämpfe mehr stattfinden. Die Verantwortung für die Politik liege bei der Diplomatie. Auch der Ausschluss von russischen und belarussischen Athleten von Wettkämpfen sei ein Fehler. Der Sport beruhe auf dem Grundsatz, freien Zugang zu gewähren und nicht zu diskriminieren. Auch habe der Sport keine friedenspolitische Botschaft, er könne nur das Modell eines gewaltfreien Wettbewerbs vorführen. Wenn der Sport sich politischen Interessen beuge, gebe er sich selbst auf, resümierte der Wissenschaftler.

Der Sport sei wie die Religion zweckfrei und „nutzlos“', pflichtete der Mainzer evangelische Theologe und Sozialethiker Michael Roth bei. Sport unterbreche den Alltag, auch von „moralischen Notwendigkeiten“. Das Leben sei auf solche zweckfreien Unterbrechungen angewiesen. Der Sport könne verstanden werden „als dankbarer Genuss der nutzlosen Zeit“. Daran sollten die Kirchen erinnern.