Predigt Eröffnungsgottesdienst Synode 2025 – Landesbischof Tobias Bilz
in der Dreikönigskirche in Dresden
- es gilt das gesprochene Wort -
Hochzeit, das klingt für mich nach Geschirrklappern und Geschäftigkeit. Korken knallen, kühler Wein und Perlen im Sektglas, Bratenduft und Torte in Stockwerken, Gäste ohne Ende. Sie lachen, Musik setzt ein, die ersten tanzen. Alle warten auf den Augenblick, dass die Tür sich öffnet und das Brautpaar kommt. Es wird gefeiert, denn es beginnt etwas Neues.
Hochzeit – mehr geht eigentlich nicht. Erst recht, wenn es um die Vereinigung von Himmel und Erde geht, göttlicher und irdischer Welt. Christus ist der Bräutigam.
So beginnt Jesus seine Geschichte. Mit einem Bild, das jeder versteht: einer Hochzeit. So stellt er sich das kommende Friedensreich, die große Vereinigung von Himmel und Erde vor: eine Hochzeit.
Ein Fest ohne Leid, ohne Schmerz und ohne Kriegsgeschrei. Ein Fest, das unsere Sehnsucht wachruft: So wird es sein, am Ende der Zeiten! Und er sagt: Wartet darauf! Denn Hochzeitsvorbereitungen können lange dauern. Es kann dunkel darüber werden.
Viele fragen sich: wo stehen wir eigentlich? Sind wir schon unterwegs zum Fest oder stecken wir noch fest? Ist jetzt die Zeit aufzubrechen, oder heißt es noch: abwarten? Die Dunkelheit scheint sich über uns und alles zu legen.
Ich höre in solchen Momenten kein Hochzeitslied, sondern Udo Lindenberg: „Komm wir ziehen in den Frieden. Wir sind mehr als du glaubst. Wir sind schlafende Riesen. Aber jetzt stehen wir auf...“ Dieses Lied packt mich. Und dann höre ich ihn, wie er in einem Interview sagt: Die Friedenssehnsucht ist richtig. Aber wir müssen auch realistisch bleiben. Die Ukraine darf natürlich jetzt nicht aufgegeben werden. Das würde dem Verbrecher Putin Tor und Tür öffnen.“ Wie weh mir das tut. Die Sehnsucht nach Frieden und die Wirklichkeit, in der Frieden nicht einfach gemacht werden kann.
Und mitten in dieses Spannungsfeld erzählt Jesus seine Geschichte. Von Frauen, die warten. Ihre Aufgabe: den Bräutigam begrüßen. Sie wissen: Gleich geht ́s los. Der Bräutigam wird das Fest eröffnen. Aber nichts passiert. Die Minuten werden lang, dann Stunden. Findet sie überhaupt statt? Die Spannung sinkt, Müdigkeit wächst. Was tun, wenn der Himmel auf sich warten lässt? Wenn die Vision nicht platzt- aber sich hinzieht? Jesus lässt die Frauen warten. Weil das Warten Teil des Glaubens ist. Weil Durchhalten dazugehört. Viele Jahre liegen manchmal zwischen dem Bauen und Einreißen von Mauern – denkt an den 9. November. Rückschritte müssen wir aushalten. Hoffnungen werden scheitern, bevor etwas Neues wächst. Wehe denen, die den Menschen in dunklen Zeiten die Hoffnung nehmen. Wehe uns als Kirchen, wenn wir es versäumen, die Menschen auf das Reich Gottes hinzuweisen!
Unsere Aufgabe bleibt: Die Sehnsucht wachhalten. Erinnern, dass sich das Friedensreich erfüllen wird. Zweifelt nicht daran. Wir müssen uns Geschichten erzählen, um wach zu bleiben. Zukunftsgeschichten, die uns tragen, wenn die Nacht zu lang wird.
Wie muss man sich das vorstellen, dass Waffen umgeschmiedet werden? Wie wird es sein, wenn keiner mehr lernt Krieg zu führen, also wenn die Wehrpflicht endlich kein Thema mehr ist? Ich denke an die unverbesserlichen Visionäre, die sich mit der Kriegslogik nicht zufriedengeben wollen.
„Man kann die Ernüchterung auch zu weit treiben“ schreibt Johano Strasser, „die Stärke unserer auf universellen Werten beruhenden freien Gesellschaft“ hängt davon ab „dass der Glaube an die Idee von Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit lebendig bleibt.“
Mein Traum ist es, dass die Vision vom kommenden Friedensreich auch diejenigen ermutigt, die einem verbrecherischen Tyrannen mit der Waffe in der Hand entgegentreten. Junge Männer und Frauen, die sich der furchtbaren Pflicht stellen, ihr Leben zum Schutz anderer zu riskieren. Sie dürften hoffen und beten, dass der Krieg bald zu Ende geht. Muss man nicht gerade sie mit einer Friedensvision ermutigen?
Noch ist es dunkel. Aber irgendwo wird vorbereitet. Ein Fest steht bevor – ein Friedensfest. Darauf sollten wir uns einstellen!
Nur der Bräutigam lässt noch auf sich warten.
Dann – mitten in der Nacht – ein Schrei: „Der Bräutigam kommt!“ Aufspringen, Lampen anzünden, das Öl nachfüllen und die plötzliche Erkenntnis:
Fünf Lampen brennen. Fünf sind leer.
Streit bricht aus der Ölkrise wegen und Spätverkaufsstellen werden angesteuert. Es wird gerannt wie man auf dem Bahnhof rennt, um den Anschlusszug nicht zu verpassen. Aber die Tür geht zu, der Türöffner reagiert nicht. Zu spät. Es wird keine weitere Verbindung geben.
Das ist brutal, finde ich. Jesus erzählt kein Kuschelmärchen. Er erzählt ein Drama. Ein Gleichnis, das sich wehrt gegen unsere fromme Routine.
Ich gebe zu: Ich habe dieses Gleichnis lange nicht gemocht. Warum wird den Frauen die Tür vor der Nase zugeschlagen? Warum ist Gott hier so unerbittlich? Vielleicht, weil es auf die Fähigkeit, in Zwischenzeiten wach zu bleiben, ankommt. Weil es hier nicht um gute Taten geht. Sondern um Bereitschaft. Sind wir bereit, wenn der entscheidende Moment kommt? Für mich heißt das, Warten ist nie passiv. Wir leben immer ein „Jetzt gilt es!“ Wenn sich scheinbar nichts nach vorne bewegt, halten wir die Hoffnung und die Sehnsucht wach. Bereit sein heißt: Hoffnung nicht verlieren. Hinhören, wenn andere verzweifeln. Das Öl nachfüllen, auch wenn keiner mehr glaubt, dass das Licht noch gebraucht wird. Wir glauben, dass da noch was kommt. Gott wird sich zeigen, irgendwann, irgendwie. Dinge werden sich ändern.
Und dann kommt der „Jetzt-Moment“ doch, wie damals am 9. November 1989. Ich erinnere mich: Noch im Frühjahr 1989 hatten wir Westbesuch. Ein Freund kam, um uns zu ermutigen: „Es riecht nach Veränderung! Die Mauer wird fallen. Ihr werdet mich besuchen kommen!“ Ich konnte es damals nicht glauben. Er hatte doch keine Ahnung, wie perfekt das System der Repression in der DDR war. Hatte er schonmal am Grenzstreifen gestanden an den Sperranlagen? „Ja“, meinte er, „ich spüre das bei jedem Grenzübertritt. Ich bleibe trotzdem dabei. Veränderung liegt in der Luft. Es wird anders kommen!“
Sicher, was dann gekommen ist, ist noch nicht das verheißene Friedensreich. Aber ein kleines Signal des Himmels ist es doch: Ihr Ausharrenden, verliert nicht die Hoffnung! Jeden Moment ist es möglich, dass Türen sich öffnen.
So ist das Öl ein Öl der Hoffnung, das nicht ausgehen soll. Deshalb ist es uns Gläubigen nicht gestattet, unsere Hoffnung von der Realpolitik überwältigen zu lassen.
Noch ist es dunkel. Noch schlafen viele. Wir leben in einer Welt, die müde geworden ist vom Warten auf den Frieden. Vom Reden über Gerechtigkeit. Vom Hoffen, dass es irgendwann besser wird. Wir sind ernüchtert über die aktuelle Weltlage.
Aber die Nacht ist nicht das Ende und die Tür ist noch offen. Also: Füll dein Öl nach. Erneure deine Hoffnung. Warte nicht bis die Welt fertig ist, das Licht muss brennen.
Denn der Moment kommt – und er wird kommen – dann soll dein Licht leuchten. Nicht perfekt, nicht makellos, aber hell genug, dass andere in deinem Licht mitgehen können. Amen.