Eine treibende Kraft für Europa

Deutschland feiert historischen Reformationstag

Festgottesdienst in der Schlosskirche Witttenberg
Festgottesdienst in der Wittenberger Schlosskirche.

Wittenberg (epd). Deutschland hat 500 Jahre Reformation gefeiert: Mit einem Gottesdienst am historischen Ort von Martin Luthers Thesenanschlag und einem staatlichen Festakt in Wittenberg erreichte das Jubiläumsjahr seinen Höhepunkt und Abschluss. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) betonte den Wert der Religionsfreiheit für eine moderne und offene Gesellschaft. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, rief die Deutschen zu Mut und Veränderungsbereitschaft auf. Das Land brauche eine „neue innere Freiheit“, sagte er.

In ganz Deutschland gedachten Vertreter von Kirche und Staat des Beginns der Reformation mit Luthers Thesenanschlag am 31. Oktober 1517 an die Wittenberger Schlosskirche. Bei den Gottesdiensten herrschte großer Andrang, auch im Kurznachrichtendienst Twitter war #Reformationstag über mehrere Stunden der meistgenutzte Hashtag. Vielerorts begingen Protestanten und Katholiken den historischen Tag als Christusfest im Zeichen der Ökumene. Einmalig war der Reformationstag bundesweit arbeitsfrei.

Angst überwinden, Liebe stärken

Merkel sagte beim Festakt im Wittenberger Stadthaus, überall dort, wo die Religionsfreiheit bedroht sei, nehme auch die Gesellschaft Schaden. Sie würdigte die Bedeutung der Reformation: Luther habe einen Stein ins Rollen gebracht, „der sich nicht mehr aufhalten ließ und die Welt für immer veränderte“, sagte die Bundeskanzlerin. Aus Luthers Verständnis vom Menschen, wonach jeder allein aus der Gnade Gottes gerechtfertigt sei und seine eigene Würde habe, baue im Grunde jegliche demokratische Ordnung auf.

Demokratie und das Recht auf Religionsfreiheit seien zwar nicht direkte Auswirkungen der Reformation, die noch sehr im Mittelalter verhaftet gewesen sei. Luthers „Ausfälle“ gegen Andersdenkende und Andersglaubende wie beispielsweise die Juden seien dafür ein deutliches Beispiel. Die Reformation sei aber eine treibende Kraft zur Entwicklung des Kontinents gewesen.

Bedford-Strohm sagte in seiner Predigt in der Wittenberger Schlosskirche, das Land ringe mit sich, manche fühlten sich „moralisch überfordert“ und hätten Angst, ihre gewohnte Welt und Sicherheit zu verlieren. Doch weder Obergrenzen für die Unterstützung von Menschen in Not würden Deutschland helfen „noch moralische Durchhalteparolen“, mahnte der oberste Repräsentant von rund 22 Millionen Protestanten. „Was dieses Land braucht, ist eine Kraft, die die Angst überwindet und die Liebe stärkt“, sagte der bayerische Landesbischof.

Ökumenisches Signal aus Genf

Der EKD-Ratsvorsitzende rief Christen dazu auf, sich in gesellschaftliche Debatten einzumischen. Für seine Überzeugungen einzustehen „sich nicht aus der Wut, sondern aus innerer Freiheit in die öffentlichen Debatten einzumischen, diese Haltung braucht unser Land“. Bereits am Vormittag hatte die EKD-Reformationsbotschafterin Margot Käßmann in einem Gottesdienst in der Schlosskirche dazu aufgerufen, sich stärker und offen zum Glauben zu bekennen.

Auch in allen 20 evangelischen Landeskirchen wurde der Höhepunkt und Abschluss des Reformationsjubiläums gefeiert, häufig mit den jeweiligen Ministerpräsidenten und katholischen Bischöfen. In Soest rief die westfälische Präses und stellvertretende EKD-Ratsvorsitzende Annette Kurschus bei einem Festgottesdienst für Nordrhein-Westfalen zu Toleranz und Mitmenschlichkeit auf. In Stuttgart warb Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) bei einem Staatsempfang für mehr Ökumene.

Lutheraner und der Vatikan sandten derweil ein Signal für ein gemeinsames Abendmahl. Die Hoffnung nach einer ungeteilten Eucharistiefeier an einem Tisch solle wahr werden als konkreter „Ausdruck der vollen Einheit“, heißt es in einer in Genf veröffentlichten gemeinsamen Stellungnahme des Lutherischen Weltbundes (LWB) und des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen

Luthers überlieferter Thesenanschlag vom 31. Oktober 1517 gilt als zentraler Ausgangspunkt der weltweiten Reformationsbewegung, die zur Spaltung in evangelische und katholische Kirche führte. Zum 500. Reformationsjubiläum hatten Kirche, Staat und Gesellschaft ein Jahr lang mit vielen Veranstaltungen an die von der Reformation ausgelösten Umbrüche erinnert.