„Karfreitag ist ein Tag für all das, was nicht auszuhalten ist.“

Gedanken von Anna-Nicole Heinrich, der Präses der Synode der EKD, zu Karfreitag

Jesus am Kreuz

Jesus am Kreuz in der evangelischen Liebfrauenkirche in Neustadt am Rübeberge

Karfreitag ist Jesus am Kreuz gestorben. Die Bibel erzählt diese Geschichte ohne Filter. Jesus leidet, schreit und stirbt. „Mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ soll er in seinen letzten Atemzügen gerufen haben. „Mein Gott, warum hast du mich verlassen“, so schreien Menschen, die unschuldig hingerichtet werden. So schreien Menschen in der Ukraine, in Butscha, in Mariupol.

Karfreitag ist ein Tag für all das, was nicht auszuhalten ist: Der tausendfache Mord an Menschen. Die Nachricht, die Dir den Boden unter den Füßen wegzieht. Die Angst um die Zukunft dieses Planeten. Karfreitag legt den Finger in die Wunde. Für viele ist er ein bedrückender Tag. Denn an diesem Tag ist es dran, das Leiden und den Tod auszuhalten. Da hinzusehen, wo es weh tut. Die Schreie und das Klagen zu hören. Wut und Trauer zuzulassen.

In diesen Tagen sehen wir das Leid der Menschen in der Ukraine und an den anderen Kriegsschauplätzen dieser Welt. Gleichzeitig tragen wir in uns die Hoffnung auf Frieden. Die Herausforderung ist, in dieser Welt zu bestehen und nicht zu verzagen. 

Sicher: wir werden sie nicht in ein Paradies verwandeln. Das ist auch gar nicht unsere Aufgabe. Stattdessen gilt es, immer weiterzulaufen - trotz oder gerade wegen der vielen Dinge, die in unserer Welt nicht in Ordnung sind. Okay, das ist nicht so leicht, sich nicht runterziehen zu lassen - vom Bösen zum Beispiel, von persönlichen Sorgen, vom Elend anderer Menschen.

Die Kunst ist, weiter durchs Leben zu balancieren - wie auf einem Schwebebalken. Um da nicht runterzufallen, hilft es, einen fixen Punkt anzupeilen und im Auge zu behalten. So ist es auch mit dem Leben. Und da kommt der Karfreitag wieder ins Spiel. Denn der hilft dabei auf ganz besondere Weise. Am Karfreitag nehmen wir das Leiden und Sterben Jesu in den Blick. Wir sehen: Es ist Gott selbst, der da leidet und stirbt. Er hat uns nicht verlassen. Er ist da. Mitten im Leid.

Mir persönlich gibt das Kraft. Gerade mit Blick auf all die Probleme, die ich nicht selbst lösen kann. Die ich nicht einfach wegdrücken kann. Weil ich darauf hoffe, dass Gott auch die schweren Wege mitgeht. Dass er da ist. Und dass er mit uns da durchgeht. Seine Liebe ist bei uns - ganz ohne Einschränkungen. In nicen Phasen. In depri Phasen. Im Scheitern. In Trauer. Und eben auch im Tod.