Gemeinsam gesellschaftliche Verantwortung tragen

Kooperationspapier des Zentralen Besprechungskreises Kirche-Handwerk

3. Kirchen und Handwerk in der Gesellschaft

Die Kirchen und das Handwerk unterstützen sich gegenseitig dabei, ihre Verantwortung möglichst engagiert wahrzunehmen. Sie sind gemeinsamen Werten verpflichtet und treten für eine soziale Ordnung ein, die dem christlichen Menschenbild entspricht und auf den Prinzipien der Personalität, Subsidiarität und Solidarität fußt:

  • Der Mensch als Träger der Menschenwürde und verantwortlicher Akteur für Mitmensch und Umwelt
  • Die Gemeinschaft, in die der Mensch immer eingebunden ist und die bei der Erfüllung der Aufgaben hilft, die die Kräfte des Einzelnen übersteigen
  • Die Solidarität insbesondere gegenüber den schwächsten Gliedern der Gesellschaft

Die besondere Verbindung zwischen Handwerk und Kirche unterstreicht auch die EKD-Denkschrift Handwerk als Chance: „Gerade weil es im Lebensalltag des Handwerks nicht einfach nur um ökonomische Spezialthemen geht, sondern um umfassende Lebensfragen wie Sicherung der wirtschaftlichen Existenz, Mitverantwortung für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Mitwirkung am öffentlichen Leben in der Region, Integration von Menschen, Gerechtigkeit im Wirtschaftsleben u.a.m., ist die Kirche für die Handwerker ein wichtiger Gesprächspartner.“ ( Nr. 22)

3.1 Das Selbstverständnis des Handwerks

Das Handwerk bezeichnet sich selbst als „die Wirtschaftsmacht von nebenan“. Fast 5,4 Millionen Beschäftigte – einschließlich 371.000 Auszubildender – erwirtschaften in rund einer Million Betrieben mehr als 530 Milliarden Euro Umsatz (so im Jahr 2014). Ungefähr jedes vierte deutsche Unternehmen zählt zu diesem Wirtschaftsbereich, der Innovation und Tradition verbindet.

Handwerk ist wertegebunden. Es schafft Werte für Kunden, Wirtschaft und Gesellschaft. Im Handwerk werden Werte gelebt – Eigeninitiative, ehrenamtliches Engagement und ein ausgeprägtes Verantwortungsbewusstsein für den Betrieb und sein Umfeld. Handwerksunternehmen handeln sozial, nicht nur indem sie Arbeits- und Ausbildungsplätze und damit Wohlstand schaffen.

Das „Prinzip Handwerk“ – gelebte Werte

Gemäß dem „Prinzip Handwerk“ richten inhabergeführte Unternehmen ihr Verhalten nicht nur nach dem aus, was Recht und Gesetz zulassen. Sie halten sich zugleich an ihren eigenen Wertekanon und übernehmen umfassend Verantwortung für ihre Entscheidungen.

Typisches Kennzeichen der meist inhabergeführten Unternehmen im Handwerk sind die Kombination von Eigentum und Geschäftsführung, die zentrale Position des Meisters und dessen persönliche Kompetenz. Der Kapitaleigner trägt hier die unternehmerische Verantwortung. Er haftet für seine Entscheidungen immer auch mit seinem privaten Vermögen.

Handwerksbetriebe sind außerdem Familienunternehmen im wahrsten Sinne des Wortes. Oftmals steht die ganze Familie für den Betrieb ein. Eine Grundhaltung, die die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ermöglicht, ist oft selbstverständlich. Den Mittelpunkt bilden stets Menschen – Handwerksmeister und ihre Familien, ihre Mitarbeiter und Kunden. Im Gegensatz zur industriellen Produktion mit vielfach anonymen Abläufen und stark modularisierten Tätigkeiten oder rein virtuellen Geschäftsprozessen digitaler Dienstleister werden die Produkte und Leistungen im Handwerk individuell und ganzheitlich angefertigt, und es gibt überschaubare Strukturen. Der persönliche Kontakt und die Nähe zwischen Meister, Geselle und Lehrling ermöglichen in den überwiegend kleinen Handwerksbetrieben eine bessere Integration der Beschäftigten und bieten gute Voraussetzungen für die Integration von Menschen mit Migrationshintergrund oder mit Benachteiligungen. Auch der Frauenanteil steigt erfreulicherweise bei Auszubildenden, Gesellen, Meistern und Betriebsinhabern.

Handwerksunternehmer stehen für eine langfristige Unternehmensausrichtung und stabiles wirtschaftliches Handeln. Statt kurzfristiger Gewinnorientierung in Quartalen denken sie in Generationen. Als Familienunternehmen wollen sie Dauerhaftes schaffen, das auch zukünftigen Generationen dient. Ihr Handeln und ihre Entscheidungen sind darauf ausgerichtet, dass das Unternehmen in der nächsten Generation weitergeführt wird. Ihre Devise lautet: Gewinne optimieren statt maximieren – und zwar auf der Grundlage einer verantwortlichen Unternehmenskultur.

Berufspolitisches und gesellschaftliches Engagement des Handwerks

Die fachliche Qualifikation spielt im Handwerk eine größere Rolle als in anderen Wirtschaftsbereichen. Handwerksunternehmer sind die „Ausbilder der Nation“. Ein weiteres Kernelement ist der Meistertitel. Die Meisterprüfung bereitet gezielt auf das künftige Unternehmerdasein vor. Handwerksordnung, qualifikationsgebundener Berufszugang, Kammerselbstverwaltung und Innungswesen sind somit keine alten Zöpfe, sondern Grundlage gesellschaftlich verantwortlicher und stabiler Betriebe. Sie sind lebensdienliche Regeln und Teil einer verantworteten Freiheit.

Aus der fachlichen Qualifikation erwächst eine besondere Identifikation der Unternehmer und ihrer Mitarbeiter mit ihren Produkten und Dienstleistungen sowie Stolz auf das Ergebnis des handwerklichen Könnens. Wer ein Produkt während seines Entstehens von der ersten Skizze bis zur fertigen Lösung in den Händen hält, identifiziert sich mit seiner Arbeit und bringt seine Persönlichkeit zum Ausdruck.

Handwerksunternehmen fühlen sich in der Region verwurzelt und bekennen sich zu ihrem Standort. Daraus erwachsen ein sozial verpflichtendes Gefühl und eine hohe Bereitschaft, sich für die Gemeinschaft vor Ort zu engagieren – für soziale, kirchliche, politische oder kulturelle Zwecke. Schätzungsweise tun dies über 100.000 Unternehmer und Mitarbeiter, viele davon auch in einem handwerklichen Ehrenamt. Das bürgerschaftliche Engagement wird von den Handwerkern aus Tradition und Verantwortung gelebt.

Das Handwerk engagiert sich nicht nur in Deutschland, sondern auch weltweilt. So führen Unternehmen und Handwerksorganisationen zahlreiche Projekte in Entwicklungs- und Schwellenländern durch, vor allem zur Stärkung des privatwirtschaftlichen Sektors und zum Aufbau der beruflichen Bildung. Auf diesem Weg trägt das Handwerk zur Stärkung des Unternehmertums, der Schaffung qualifizierter Arbeitsplätze und Verbesserung von Einkommensperspektiven bei. Vielfach wird durch diese entwicklungspolitischen Initiativen ein Fundament für stabile wirtschafts- und sozialpolitische Strukturen in diesen Ländern gelegt.

Das Handwerk als Sozialpartner

Die Sozialpartnerschaft ist im Handwerk besonders ausgeprägt. Das zeigt sich beispielsweise in dem in der Handwerksordnung niedergelegten Zusammenwirken von Arbeitgebern und Arbeitnehmern in den Handwerkskammern nach dem Prinzip der Drittelparität.

Die Abnahme von Gesellen-, Fortbildungs- und Meisterprüfungen durch die handwerkliche Selbstverwaltung (Handwerkskammern und Innungen) ist Ausdruck von Subsidiarität und Eigenverantwortlichkeit. Gleichsam nehmen die Sozialpartner eine aktive und zentrale Rolle bei der Gestaltung der beruflichen Bildung insgesamt ein. Dies bezieht sich auf die Feststellung von Qualifikationsbedarfen und deren Umsetzung in den Ordnungsverfahren zur Erarbeitung von Aus- und Fortbildungsverordnungen sowie Meisterprüfungsverordnungen.

Weiterhin wirken Handwerker auf Arbeitgeber- wie auch auf Arbeitnehmerseite in der Selbstverwaltung der sozialen Sicherungssysteme mit: in den Verwaltungsräten der Krankenkassen, in den Vertreterversammlungen der gesetzlichen Rentenversicherung und der Berufsgenossenschaften, in den Verwaltungsausschüssen der regionalen Arbeitsagenturen und im Verwaltungsrat der Bundesagentur für Arbeit.

Das Handwerk leistet außerdem einen wichtigen Beitrag zur Tarifpartnerschaft, die eine der tragenden Säulen der Sozialen Marktwirtschaft in Deutschland ist. Seit Jahrzehnten handeln Arbeitgeberverbände des Handwerks und Gewerkschaften auf autonomer und freiwilliger Basis auf die Bedürfnisse der kleinen Betriebe des Handwerks zugeschnittene Entgelte und Arbeitsbedingungen aus.

Einen institutionalisierten Dialog der Sozialpartner gibt es inzwischen nicht nur auf deutscher, sondern auch auf europäischer Ebene. Das Handwerk übernimmt als Mitglied der als europäischer Sozialpartner anerkannten UEAPME (Europäischer Dachverband des Handwerks und der kleinen und mittleren Unternehmen) Mitverantwortung.

Handwerk in Europa

Das Handwerk steht zum Europäischen Gesellschafts- und Wirtschaftsmodell. Die Europäische Union ist eine Werte-, Rechts-, Friedens- und Freiheitsgemeinschaft – nicht nur auf dem Papier. Die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) stellen 99,8 Prozent aller europäischen Unternehmen, 66 Prozent aller Arbeitsplätze und über 30 Prozent aller Auszubildenden in Europa. Kurzum: In ihrer Gesamtheit sind die rund 23 Millionen KMU das Rückgrat der europäischen Wirtschaft.

KMU und ihre Beschäftigten tragen in entscheidender Weise zur Stabilisierung der europäischen Wirtschaft bei. Das deutsche Handwerk und seine Organisationsstrukturen sind beispielgebend in Europa. So garantieren das Duale System und die handwerkliche Selbstverwaltung eine hochwertige Ausbildung in Theorie und Praxis, öffnen damit den Zugang zum Arbeitsmarkt, schaffen Perspektiven für die Jugend und stärken die grenzüberschreitende Mobilität.

3.2 Evangelische Kirche und Handwerk

Die evangelische Kirche engagiert sich mit ihren Kirchengemeinden und Einrichtungen, christlichen Glauben weiterzugeben und gesellschaftspolitische Aufgaben wahrzunehmen. Das schließt die Mitverantwortung für eine Gesellschaft ein, die allen Gruppen die Möglichkeit zur Entwicklung ihrer materiellen und geistigen Potentiale und dem einzelnen Menschen die Chancen für die Entfaltung seiner Fähigkeiten und Kenntnisse gibt. Diese „Gesellschaftliche Diakonie“, die nach den eigenen Aussagen der Evangelischen Kirche ein Höchstmaß von „Objektivität, Sachkunde und theologischer Sorgfalt“ (EKD-Denkschrift Aufgaben und Grenzen kirchlicher Äußerungen zu gesellschaftlichen Fragen. 1968, Abs. 35) erfordert, wirkt – auch nach Meinung des Handwerks – als ein konstruktives Element in den gesellschaftspolitischen Auseinandersetzungen unserer Zeit.

Programmatische Grundlage für die Beziehungen zwischen Handwerk und Kirche ist die 1997 veröffentlichte Denkschrift Handwerk als Chance. Diese von der EKD-Kammer für soziale Ordnung verfasste Schrift sieht im Handwerk besondere strukturelle Chancen zu humanem, sozialverträglichem und gemeinwohlorientiertem Wirtschaften. Die Denkschrift appelliert an alle kirchlichen Einrichtungen, die Beziehungen zum Handwerk aufmerksam wahrzunehmen, zu pflegen und zu intensivieren.

Kontakte mit dem Handwerk auf verschiedenen Ebenen

Die Evangelische Kirche und das Handwerk (Zentralverband des Deutschen Handwerks in Verbindung mit dem Deutschen Handwerkskammertag und dem Unternehmerverband Deutsches Handwerk) haben beide stark differenzierte Gliederungen. In der kirchlichen Struktur haben neben den Ortskirchengemeinden und Kirchenkreisen bzw. Dekanaten auch die Landeskirchen ein besonderes Gewicht. Im Handwerk liegt die bezirkliche Betreuungsarbeit bei den auf gesetzlicher Grundlage tätigen autonomen Selbstverwaltungskörperschaften der Handwerkskammern, Kreishandwerkerschaften und Innungen. Dazu treten noch die in den Ländern gebildeten Landeshandwerksvertretungen als Koordinierungsstellen für die gemeinsamen regionalen Aufgaben der Handwerkskammern und Fachverbände. Diese differenzierten organisatorischen Gegebenheiten machen es notwendig, die Kontakte zwischen Kirche und Handwerk gleichzeitig durch zentrale und regionale Begegnungen zu fördern.

Den Ausgangspunkt der Kontakte bilden die gewachsenen Beziehungen auf der Gemeindeebene. Diese haben eine lange Tradition. Lang ist die Liste der bereits in der Bibel erwähnten Handwerksberufe. Ist doch auch Jesus von Nazareth selbst in einer Zimmererfamilie aufgewachsen. In der Reformation gehörten Handwerker zu deren stärksten Unterstützern. „Häusliches Leben und beruflicher Alltag des ehrbaren Handwerkers der Zunftzeit waren von christlicher Sitte und Brauchtum geprägt“ (EKD-Denkschrift Handwerk als Chance, Nr. 18). Während der industriellen Revolution nahmen sich Adolph Kolping auf katholischer und Johann Hinrich Wichern auf evangelischer Seite in besonderem Maße der Nöte der Handwerker an.

Auf dieser Traditionslinie bildeten sich im 19. Jahrhundert die evangelischen Gesellen- und Meistervereine und nach dem 2. Weltkrieg die Evangelische Handwerkerbewegung in Deutschland, heute vertreten durch die Arbeitsgemeinschaft Handwerk und Kirche (AHK) im Evangelischen Verband Kirche-Wirtschaft-Arbeitswelt (KWA).

Darüber hinaus werden in anderen Einrichtungen und Diensten der Evangelischen Kirche im Rahmen ihrer gesellschaftsbezogenen Arbeit Fragen und Probleme behandelt, die das Handwerk berühren. Es ist deshalb notwendig, auch diese Bereiche in die Zusammenarbeit einzubeziehen. Das gilt zum Beispiel für die Sozial- und für die Evangelische Aktionsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen mit ihren Untergliederungen wie auch für die Evangelischen Akademien als Begegnungsstätten für Berufsgruppen verschiedener Professionen.

In den letzten Jahren sind die Kontakte zwischen Kirche und Handwerk auch auf regionaler Ebene verstärkt worden. So haben sich in den meisten Landeskirchen Arbeitskreise, Besprechungskreise und Studienkreise gebildet.

Grundsätze für die Zusammenarbeit von evangelischer Kirche und Handwerk

Auf der Grundlage der biblischen Botschaft begleitet die evangelische Kirche Menschen in ihrer Arbeits- und Lebenswirklichkeit. Sie engagiert sich für sozialen Frieden, Teilhabegerechtigkeit, Solidarität und eine sozial und ökologisch verträgliche Marktwirtschaft. Die evangelische Kirche äußert sich in Denkschriften, Erklärungen und Impulstexten zu gesellschaftspolitischen Themen und führt Dialoge mit den beteiligten Akteuren.

Handlungsleitend für die kirchliche Arbeit sind:

  • Leiturgia: Gottes Gegenwart feiern (Gottesdienst und Spiritualität)
  • Martyria: Gott bezeugen (Lehre und Bildung)
  • Koinonia: Gemeinschaft stiften (Gemeinschaft)
  • Diakonia: dem Nächsten dienen (Nächstenliebe)

In der Zusammenarbeit zwischen Handwerk und Kirche lassen sich diese Grundsätze wie folgt konkretisieren:

Gottesdienst und Spiritualität: Handwerk und Kirche feiern zusammen Gottesdienste. Dabei werden Themen und Anlässe aus der Lebenswelt des Handwerks aufgegriffen. Kirche begleitet Handwerker in ihren konkreten Arbeits- und Lebensbezügen, möchte sie stärken und bei der Bewältigung ihrer Sorgen und Nöte unterstützen.

Lehre und Bildung: Die Evangelische Kirche führt nationale und internationale Tagungen durch, organisiert Bildungsveranstaltungen und initiiert gesellschaftspolitische Projekte. Sie sucht dafür den Dialog mit den Handwerkskammern, den Kreishandwerkerschaften und den jeweiligen Innungen.

Gemeinschaft: Die Evangelische Kirche nimmt die besondere Arbeits- und Lebenssituation von Handwerkerinnen und Handwerkern wahr und unterstützt sie in unterschiedlichsten Lebensphasen. Sie wendet sich Jugendlichen, die eine Lehre absolvieren, ebenso zu wie jungen Unternehmerfamilien oder Gesellinnen und Gesellen.

Nächstenliebe: Die Kirche bietet Seelsorge und Beratung an. Gerade Frauen und Männer mit Führungsverantwortung in Handwerksbetrieben schätzen diese Begleitung. Sie ist zugleich Anlaufstelle für Menschen in Not und hilft in beruflichen wie privaten Krisensituationen.

3.3 Katholische Kirche und Handwerk

Die Beziehung der katholischen Kirche zum Handwerk vollzieht sich auf verschiedenen Ebenen. In den Kirchengemeinden, vor allem in ländlichen Regionen, spielen seit Generationen ansässige Handwerksfamilien eine große Rolle, die das Leben der Pfarrei mitprägen. Auch heute engagieren sich Handwerker vor Ort in kirchlichen Gremien, sei es in der Kirchenverwaltung oder im Pfarrgemeinderat. Gerade das Engagement in diesen Bereichen sorgt durch die damit verbundenen persönlichen Kontakte für eine vertrauensvolle Nähe zwischen Kirche und Handwerk.

Durch die verschiedenen kirchlichen Einrichtungen und Anlässe ergeben sich vielfältige Kontakte zu den örtlichen Handwerksbetrieben. Die Kirche vor Ort ist ein wichtiger Kunde für das Handwerk. Bei der Sanierung kirchlicher Gebäude, bei der Restaurierung von Orgeln oder sakraler Einrichtungsgegenstände sind die Kirchengemeinden auf das Handwerk angewiesen und nutzen deren Dienstleistungen. Auf der anderen Seite zeigt sich die enge Verbundenheit zwischen Kirche und Handwerk bei der Segnung neuer Betriebe.

Auch auf der Ebene der Diözesen bestehen Kontakte zwischen Kirche und Handwerk. Gegenseitige Einladungen zu Veranstaltungen, Gespräche der Bischöfe mit Verantwortlichen der Handwerkskammern und Innungen und das gemeinsame Engagement für den Religionsunterricht an Berufsschulen sind Beispiele für die Zusammenarbeit in diesem Bereich.

Eine große Bedeutung für das Verhältnis zwischen katholischer Kirche und Handwerk kommt traditionell den kirchlichen Verbänden zu. Die Verbände sind nicht nur im Lebensraum der Kirche verwurzelt, sondern sie haben Teil an der Sendung der Kirche. Getragen von christlichem Denken und Ethos leisten die Verbände einen wichtigen Dienst in der Welt. Darüber hinaus sind sie Ausdruck des Prinzips der Subsidiarität. Außerdem stärken die Verbände den Grundsatz der katholischen Soziallehre, dass „der Mensch der Träger, Schöpfer und das Ziel aller gesellschaftlichen Einrichtungen“ sein muss (Mater et magistra, Nr. 219).

Im Bereich der Arbeitswelt haben sich im Laufe der Zeit verschiedene katholische Verbände gebildet, wobei insbesondere das Kolpingwerk auf eine lange Tradition zurückblicken kann. Schon Mitte des 19. Jahrhundert haben sich Gesellen in Vereinen zusammengeschlossen. Dem Engagement von Adolph Kolping (1813- 1865) ist es zu verdanken, dass seit 1849 sowohl im deutschsprachigen Raum als auch in den angrenzenden Ländern eine Vielzahl katholischer Gesellenvereine entstanden. Durch die Einrichtung von Gesellenhäusern, den Vorläufern der heutigen Kolpinghäuser, konnten den wandernden Gesellen sowohl Unterkünfte als auch Orte der Bildung und der Geselligkeit geboten werden. Bis heute leistet das Kolpingwerk durch seine Lehrlingswohnheime einen wichtigen Beitrag, dass junge Menschen den Weg in einen handwerklichen Beruf finden.

Neben dem Kolpingwerk ist auch der KKV – Verband der Katholiken in Wirtschaft und Verwaltung – Mitglied im „Zentralen Besprechungskreis Kirche und Handwerk“. Im Jahre 1877 als Katholisch-Kaufmännischer Verein gegründet, hat sich dieser Verband inzwischen auch zum Handwerk hin geöffnet. So sind heute im KKV neben Handwerkern kaufmännische Angestellte, selbstständige Kaufleute, Beschäftigte des öffentlichen Dienstes und in freien Berufen Tätige organisiert.

Das Handwerk ist auch Gegenstand der päpstlichen Sozialverkündigung. So wird schon in der ersten Sozialenzyklika Rerum novarum, die im Jahre 1891 von Papst Leo XIII. verfasst wurde, die Funktion der Handwerkerverbände gewürdigt (Nr. 36). Die im Jahre 1961 veröffentlichte Sozialenzyklika Mater et magistra von Papst Johannes XXIII. weist ausdrücklich darauf hin, dass „im Interesse des Gemeinwohls und im Rahmen des technischen Fortschritts“ der handwerkliche Betrieb „zu schützen und zu fördern“ sei, aber auch jene „genossenschaftlichen Unternehmen“, die den handwerklichen Betrieben „Hilfestellung“ leisten (Nr. 85). Des Weiteren wird betont: „Diese Sorge des Staates für das Handwerk und die Genossenschaften ist auch deshalb gerechtfertigt, weil diese wertechte Güter schaffen und zum kulturellen Fortschritt beitragen“ (Nr. 89). In der Enzyklika Populorum progressio von 1967 wird die Arbeit des Handwerkers als „schöpferisch“ bezeichnet (Nr. 27) und Papst Franziskus hat in seinem 2015 veröffentlichten Schreiben Laudato si hervorgehoben, dass alle „Arbeiter und Handwerker“ Anteil haben an der „Entwicklung der Schöpfung“ (Nr. 124).

Eine wichtige Brückenfunktion zwischen Arbeitswelt und Kirche, und damit auch zwischen Handwerk und Kirche, kommt der katholischen Arbeiter- und Betriebsseelsorge zu. Gerade in persönlichen oder betrieblichen Krisensituationen stehen hier den Beschäftigten sachkundige Ansprechpartner zur Verfügung, die sie in ihren Sorgen und Nöten begleiten und beraten.

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