Das Leitbild des Gerechten Friedens
Was ist Gerechter Friede?
Die EKD-Denkschrift „Welt in Unordnung“ beschreibt Gerechten Frieden als Leitbild einer der aktuellen Weltlage angemessenen Friedensethik. Gerechter Friede ist ein Prozess, bei dem Gewalt ab- und Gerechtigkeit zunimmt. Anders als ein „fauler Friede“, der nur Waffenruhe bedeutet, oder die alte Lehre vom „gerechten Krieg“ zielt der Gerechte Friede auf eine umfassende Ordnung gerechten Zusammenlebens.
Schutz vor Gewalt als Fundament Gerechten Friedens
Er beinhaltet vier voneinander abhängige Aspekte: Schutz vor Gewalt, Förderung von Freiheit, Abbau von Ungleichheiten und den friedensfördernden Umgang mit Pluralität. Der Schutz vor Gewalt bildet das Fundament, ohne das die anderen Dimensionen nicht verwirklicht werden können. Doch auch ein Frieden, der nur auf Waffenruhe und den Schutz vor Gewalt setzt und Gerechtigkeit bzw. die übrigen Dimensionen des Gerechten Friedens ausblendet, bleibt brüchig.
Die Fähigkeit zur Zerstörung trägt jeder Mensch in sich
Gerechter Friede gründet in der biblischen Vision des „Schalom“ – einem umfassenden Wohlergehen aller Menschen. Er verbindet Jesu Gebot der Gewaltfreiheit mit der Einsicht in die Erlösungsbedürftigkeit der Welt. Menschen können in Frieden zusammenleben, tragen aber auch zerstörerisches Potenzial zur Zerstörung in sich.
Spannung zwischen Ideal und Realität
Die evangelische Friedensethik hält am Primat der Gewaltfreiheit fest, erkennt aber an: In einer von Gewalt geprägten Welt kann rechtserhaltende Gewalt als letztmöglicher Weg („ultima ratio“) notwendig werden. Der Gerechte Friede ist kein erreichbarer Endzustand, sondern ein orientierender Horizont für politisches Handeln.
Abgrenzung zum Pazifismus
Anders als der radikale Pazifismus, der jede Gewalt kategorisch ablehnt, erlaubt der Gerechte Friede unter strengsten Bedingungen Gegengewalt zur Verteidigung. Die Denkschrift würdigt pazifistische Positionen als wichtige Mahnung und Ausdruck gelebter Frömmigkeit. Sie betont aber: Gewaltverzicht führt nicht unbedingt zu Gerechtem Frieden. Gewalt muss notfalls mit Gegengewalt eingedämmt werden – ohne das Ziel der Gewaltüberwindung aufzugeben.
Autor: ub