Theologisch-Religionspädagogische Kompetenz - Professionelle Kompetenzen und Standards für die Religionslehrerausbildung

Empfehlungen der Gemischten Kommission zur Reform des Theologiestudiums, EKD-Texte 96, 2009

6. Das Entwicklungsmodell

Für die Beschreibung des Entwicklungsmodells werden folgende Grundannahmen unterstellt:

  1. Der Aufbau von Kompetenzen umfasst den gesamten Ausbildungszeitraum, also alle drei Phasen der Lehrerbildung bis zum Abschluss der Berufseingangsphase. Studierende, Lehramtsanwärter und Berufsanfänger sind also in einen Prozess kontinuierlicher Kompetenzentwicklung involviert.
  2. Alle drei Phasen sind bezogen auf das Handlungsfeld Religionsunterricht und die Aufgabe des Religionslehrers und der Religionslehrerin, Schülerinnen und Schüler bei der Entwicklung von Kompetenzen religiöser Bildung anzuleiten und zu assistieren.
  3. Jede Phase trägt in professionsspezifischer Weise zur Handlungskompetenz des Religionslehrers und der -lehrerin bei [17]. Die schwerpunktmäßig auf den fachwissenschaftlichen und fachdidaktischen Kompetenzerwerb ausgerichtete Phase und die schwerpunktmäßig auf den Erwerb von berufspraktischen Kompetenzen ausgerichteten Phasen sind nicht in einem Verhältnis von Theorie und Praxis zuzuordnen, sondern wechselseitig miteinander verschränkt.

    Die erste Phase ermöglicht den Studierenden bereits forschendes Lernen im Blick auf die Handlungsgrundlagen ihrer künftigen beruflichen Tätigkeit. „Forschendes Lernen setzt schulpraktische Erfahrungen in Beziehung zu wissenschaftlichen Theorien, wobei als zentrale Bezugsdisziplinen vorrangig die erziehungswissenschaftlichen Fächer einerseits und die Fachdidaktiken andererseits fungieren. Erreicht werden soll, dass Studierende schrittweise dazu befähigt werden, insbesondere erziehungswissenschaftliche und fachdidaktische Theorieansätze in der Praxis daraufhin zu überprüfen, inwiefern sie dazu beitragen, Probleme des konkreten Schul- bzw. Unterrichtsalltags erkennen und handelnd bewältigen zu können.“ [18] Forschendes Lernen beschreibt daher einen Lernprozess, in dem Studierende in einer zunehmend auf wissenschaftliche Vorgehensweise ausgerichteten und auf wissenschaftliche Erkenntnisse bezogenen Haltung im Handlungsfeld Religionsunterricht Erfahrungen sammeln und diese theoriegeleitet und reflektierend auswerten und auf ihre fachwissenschaftliche und fachdidaktische Arbeit im Studium zurückbeziehen.

    Die zweite Phase zeichnet sich durch theoriegeleitetes Erprobungslernen der Lehramtsanwärterinnen und -anwärter auf dem Weg zu fortgeschrittenen Berufsanfängerinnen und -anfängern aus. Mit diesem Begriff wird ein Lernprozess bezeichnet, in dem die erforderlichen berufspraktischen Kompetenzen in einem Rückkoppelungsmodell erfahrungsbezogenen, handlungsorientierten und theoriegestützten Lehrens und Lernens in Schule und Studienseminar aufgebaut werden. Dabei werden Fähigkeiten und Fertigkeiten in komplexen Handlungssituationen ausprobiert, überprüft sowie sukzessive erweitert und verbessert.

    In der dritten Phase dominiert das integrierende Erfahrungslernen, mit dem fortgeschrittene Berufsanfängerinnen und -anfänger in ihrer Entwicklung zur kompetenten Lehrkraft versuchen, eine Balance zwischen der notwendigen Routinebildung und dem Umgang mit Neuem, Unerwartetem und grundsätzlich nicht Planbarem zu finden [19]. Der Schwerpunkt dieser Lernphase liegt darauf, das eigene Handlungsrepertoire durch die reflektierende Aufarbeitung der beruflichen Erfahrungen systematisch zu erweitern und dadurch die Fähigkeit zu erlangen, auch beruflich komplexere Handlungssituationen souverän zu bewältigen. Andererseits sollen die beruflichen Kompetenzen in einem ständigen Gespräch mit der Fachdidaktik und Fachwissenschaft weiterentwickelt werden. Diese kontinuierliche, die Ausübung des Berufs dauerhaft bestimmende Vermittlungsaufgabe zwischen Erfahrungen und Orientierung an wissenschaftlichen Entwicklungen ist die integrative Leistung des Lehrers und der Lehrerin, die die Qualität ihres Handelns gewährleistet und sichert.

  4. Die berufsbezogene theologische und religionsdidaktische Kompetenz bilden eine entscheidende Grundlage für die religionspädagogische Gestaltungskompetenz. Beide Kompetenzen werden im Entwicklungsmodell daher als sukzessiv zu erwerbende Fähigkeiten aufgefasst und der zentralen beruflichen Aufgabe zugeordnet, Lehr- und Lernprozesse religiöser Bildung zu arrangieren.
  5. Die Schlüsselkompetenz bei der Kompetenzentwicklung ist die religionspädagogische Reflexionsfähigkeit, [20] die bereits in der ersten Phase entwickelt wird und alle Lernprozesse in allen Phasen begleitet und strukturiert.
  6. Kompetenzorientiertes Lernen in der Lehrerausbildung braucht didaktisch-methodische Standards für die Lehrenden in allen Phasen. Die Lehrprozesse in allen drei Phasen sind so zu konzipieren, dass sie kompetenzorientiertes Lernen ermöglichen. Dies gilt für die curriculare, die didaktische und die methodische Ebene gleichermaßen.

Das Grundmodell des Erwerbs theologisch-religionspädagogischer Kompetenz lässt sich modellhaft folgendermaßen darstellen:

Kompetenzen von Lehrern und Lehrerinnen für Evangelische Religionslehre im beruflichen Handlungsfeld. Leitkompetenz: Theologisch-religionspädagogische Kompetenz

Theologisch-Religionspädagogische Kompetenz (pdf)

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