Nichtinvasive Pränataldiagnostik

Ein evangelischer Beitrag zur ethischen Urteilsbildung und zur politischen Gestaltung, Kammer für Öffentliche Verantwortung der EKD, 2018

4. Individuelle Entscheidungen und normativer Rahmen

Bei der Diskussion über die Auswirkungen der NIPD sowie auch allgemein der pränatalen genetischen Diagnostik auf die Gesellschaft darf nicht übersehen werden, dass die konkreten ethischen Konflikte unmittelbar bei den Handlungsoptionen der betroffenen Paare und insbesondere der schwangeren Frauen auftreten und sich auch mögliche normative Regelungen genau auf diese Optionen auswirken. Der Umgang mit pränataler genetischer Diagnostik und NIPD muss zwischen dem Respekt vor Optionen des Handelns und normativen Regelungen eine angemessene Balance wahren.

Konflikte im Rahmen der pränatalen Diagnostik haben existenziellen Charakter – unabhängig davon, welche Verfahren angewendet werden. Sie treffen werdende Eltern, in erster Linie schwangere Frauen, unmittelbar in ihrer Lebensplanung und in der Wahrnehmung ihrer eigenen Rolle, ihrer eigenen Zukunft und – nicht zuletzt – ihres eigenen Körpers. Diese existenzielle, höchstpersönliche Dimension des Konflikts ist ernst zu nehmen.

Denn so sehr Einzelne immer eingebunden sind in ein soziales Umfeld: Die Entscheidung für oder gegen die Inanspruchnahme pränataler genetischer Diagnostik, wie auch die Entscheidung für oder gegen einen Schwangerschaftsabbruch, muss letztlich von der schwangeren Frau bzw. den werdenden Eltern selbst getroffen werden.

Die derzeit gültige Rechtslage zum Schwangerschaftsabbruch sieht vor, dass die Rechtsgemeinschaft am Schutz des ungeborenen Kindes festhält. Sie setzt sich über die Konfliktberatung und sozialpolitische Unterstützungsmaßnahmen auch selbst für diesen Schutz ein. Gleichzeitig aber wird der schwangeren Frau nicht die Pflicht auferlegt, ein Kind auch dann auszutragen, wenn ihr das in Blick auf ihre gegenwärtige und zukünftige Situation unzumutbar erscheint. Dies erfordert eine sensible Balance zwischen gesellschaftlichen Normvorstellungen auf der einen Seite sowie dem Respekt vor der existenziellen Situation der Einzelnen auf der anderen Seite. Es ist dringend geboten, auch im Blick auf die Pränataldiagnostik nach einer Balance zwischen diesen beiden Polen zu suchen.

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