Nichtinvasive Pränataldiagnostik

Ein evangelischer Beitrag zur ethischen Urteilsbildung und zur politischen Gestaltung, Kammer für Öffentliche Verantwortung der EKD, 2018

9. Lebensschutz und Menschenwürde

Durch die Verbindung von psychosozialer, auf den Schutz des Lebens abzielender Beratung und dem Angebot der NIPD als Bestandteil der Regelversorgung soll und muss dem Eindruck entgegengetreten werden, bei der Pränataldiagnostik handele es sich um eine nicht nur erlaubte, sondern sogar sozial erwünschte Praxis, mit dem Ziel, die Geburt von Kindern mit bestimmten Merkmalen, in der Regel autosomalen Trisomien, zu verhindern.

Es ist nicht zu leugnen, dass es in der Folge medizinischer Entwicklungen in den letzten Jahren und Jahrzehnten zu einer allmählichen Verschiebung im Umgang mit Geburt und Elternschaft gekommen ist: Elternschaft ist in einem so bislang noch nicht gekannten Umfang zum Gegenstand der Planung geworden. Diese Verschiebung ist im Wesentlichen für die gestiegene Nachfrage nach Pränataldiagnostik (vor allem nach NIPD) verantwortlich. So gilt es kritisch zu beobachten, ob mit einer Aufnahme der NIPD in die Regelfinanzierung bei Risikoschwangerschaften diese Tendenz weiter verstärkt und auf die erwünschten Eigenschaften des Kindes ausgedehnt wird. Nachdem die Alternative der invasiven Diagnostik bereits seit Längerem Bestandteil der Regelfinanzierung bei Risikoschwangerschaften ist, scheint dies allerdings nicht sehr wahrscheinlich.

In diesem Zusammenhang ist noch ein weiterer Gesichtspunkt zu bedenken: Nachvollziehbar ist das Bestreben derer, die sich für die gesellschaftliche Anerkennung von Menschen mit Beeinträchtigung einsetzen, durch die Zurückweisung der Aufnahme der NIPTs in die Regelversorgung ein Signal gegen eine mögliche Diskriminierung geborener Menschen mit Trisomie zu setzen. Es soll verhindert werden, dass die Pränataldiagnostik dazu führt, Schwangerschaftsabbrüche nach einem auffälligen Befund zur Selbstverständlichkeit werden zu lassen. Das widerspräche dem Bekenntnis zu Lebensschutz und gleicher Würde eines jeden Menschen. Dennoch ist fraglich, ob es sich nicht letztlich kontraproduktiv auswirken würde, wenn die Entscheidung gegen eine Aufnahme der NIPD in den Leistungskatalog der GKV fallen würde und der Einsatz dieser für die betroffenen Frauen bzw. Paare schonenderen Diagnostik damit gänzlich in den Bereich des Privaten verlagert werden würde.

Denn die Finanzierung dieser Diagnostik durch die GKV bietet immerhin einen Rahmen, der das Bewusstsein dafür wachhält und schärft, dass solche Maßnahmen nicht einfach Privatsache sind. Vielmehr bleiben sie – in der Inanspruchnahme, der Finanzierung und den zu ziehenden Konsequenzen – eingebettet in einen Kontext gesamtgesellschaftlicher Verantwortung, die über die ethische Beratung zum Ausdruck gebracht wird.

Diese Einbettung hebt die mit der Pränataldiagnostik verbundenen Dilemmata nicht auf, macht sie aber sichtbar und drängt sie nicht ins Private ab. Kontraproduktiv würde sich aber sicher auch der Versuch auswirken, eine ethische Beratung rechtlich zu erzwingen. Hier stände zudem der Vorwurf im Raum, den betroffenen schwangeren Frauen nicht mit der nötigen Empathie zu begegnen. In diesem Fall würde der Lebensschutz zwar auf der Ebene gesellschaftlicher Verständigung festgehalten, der Zugang zu den Betroffenen allerdings unter Umständen erheblich erschwert, wenn nicht sogar unmöglich gemacht. Damit würden auch die Möglichkeiten verfehlt, sich konkret für die werdenden Eltern ebenso wie die ungeborenen Kinder einzusetzen.

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