Zur Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf

VI. Schluß

(58) Nicht ohne Grund ist gesagt worden: "Wie die Hausfrau, die die Stube gescheuert hat, Sorge trägt, daß die Türe zu ist, damit ja der Hund nicht hereinkomme und das getane Werk durch die Spuren seiner Pfoten entstelle, also wachen die europäischen Denker darüber, daß ihnen keine Tiere in der Ethik herumlaufen ... Entweder lassen sie das Mitgefühl gegen die Tiere ganz weg, oder sie sorgen dafür, daß es zu einem nichtssagenden Rest zusammenschrumpft" (Albert Schweitzer).

Doch hat es in der außerchristlichen wie der christlichen Welt genug Denker und Dichter gegeben, die in den zurückliegenden Jahrzehnten und Jahrhunderten für die leidende Kreatur ihre Stimme erhoben haben. Sie mahnen die Verantwortung an, die wir den Tieren als unseren Mitgeschöpfen schulden. Was diese Stimmen in großer Klarheit und Treffsicherheit ausgesprochen haben, ist noch lange nicht eingeholt:

Es "ist alle Willkürlichkeit in der Art, die Natur zu behandeln, alles unnütze Verderben, alles muthwillige Zerstören von Übel und verwerflich. Mit Einem Worte können wir sagen: Der Mensch muß die Natur mit Humanität behandeln, das heißt in der Weise, welche mit der eigenen Würde des Menschen, das heißt mit der Würde der menschlichen Natur übereinstimmt. Alsdann wird er auch die einzelnen Naturerzeugnisse, jede der Creaturen ihrer natürlichen Beschaffenheit und der vom Schöpfer ihr gegebenen Bestimmung gemäß behandeln, und, während er die Natur als Mittel für seine Zwecke behandelt, sich zugleich erinnern, daß alles Leben auch Zweck an sich selber ist. Als Gottes Ebenbild auf Erden soll Mensch nicht allein die Gerechtigkeit Gottes abspiegeln, welche im ganzen Umfange der Schöpfung Gesetz und Ordnung, Maß und Grenze aufrechterhält, sondern auch die Güte Gottes, welcher 'Allen gütig ist und sich aller seiner Werke erbarmet' (Psalm 145,9). Denn Gott hat kein Gefallen an dem Tode und Untergange Dessen, was da lebt, sondern gönnet von Herzen jedem der lebenden Wesen das kurze Leben, die kurze Freude und Erquickung, für welche es empfänglich ist, und das mitten unter allem diesem Sterben und Vergehen, unter aller dieser gegenseitigen Quälerei und Zerstörung, welcher die Natur unterworfen ist - einem Fluche, der nicht eher kann hinweggenommen werden, als nachdem das Reich Gottes vollendet und die herrliche Freiheit der Kinder Gottes geoffenbart sein wird" (Hans Lassen Martensen 1854)

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