Organtransplantationen

Erklärung der Deutschen Bischofskonferenz und des Rates der EKD, Gemeinsame Texte 1, 1990

Vorwort

Die Deutsche Bischofskonferenz und der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland haben im Jahr 1988 eine Arbeitsgruppe zu Fragen der Gewebe- und Organtransplantationen eingesetzt. Dieses Thema wird bereits kurz behandelt in der Gemeinsamen Erklärung des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland und der Deutschen Bischofskonferenz in Verbindung mit den übrigen Mitglieds- und Gastkirchen der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen: Gott ist ein Freund des Lebens. Herausforderungen und Aufgaben beim Schutz des Lebens, Trier/Gütersloh 1989, S. 102-105.

Die medizinische Forschung hat durch die Organverpflanzung neue Möglichkeiten erschlossen, um die Gesundheit vieler Menschen wiederherzustellen oder gar ihr Leben zu retten. Anliegen dieser Gemeinsamen Erklärung ist es darzulegen, welche medizinischen, rechtlichen und ethischen Gesichtspunkte bei der Transplantationschirurgie zu beachten sind und wie vom christlichen Verständnis des Sterbens und des Todes her eine verantwortliche Stellungnahme gefunden werden kann. Die Kirchen sehen unter bestimmten Bedingungen, die in der Erklärung genannt sind, in einer Organspende durchaus die Möglichkeit, über den Tod hinaus sein Leben in Liebe für den Nächsten hinzugeben.

Eine Organverpflanzung kann zwar das Leben verlängern, doch trotz aller Erfolge der Transplantationschirurgie sind dem ärztlichen Wirken auch hier Grenzen gesetzt. Gesundheitliche Gefährdungen oder Krankheiten können überwunden werden, doch der Tod kann dadurch nicht endgültig vertrieben werden. Darum bleibt die Frage nach dem Sinn des menschlichen Lebens und Sterbens bestehen und verlangt nach einer verläßlichen Antwort, die im Leben und im Sterben Rückhalt und Orientierung zu geben vermag. Die dankbare Anerkennung des medizinischen Fortschritts und gerade auch der Erfolge der Transplantationschirurgie muß mit einem nüchternen Urteil, mit Hilfsbereitschaft und mit der Erkenntnis der dem Menschen gesetzten Grenzen verbunden sein. Dann kann man auch heute Gott als den wirklich einzigen Herrn über Leben und Tod anerkennen und ihm allein die Ehre geben.

Wir danken der Arbeitsgruppe für das intensive Gespräch zwischen Medizin in Theorie und Praxis, Recht, pastoraler Sorge um den kranken Menschen und theologischer Ethik. Bei dieser Gelegenheit möchten wir es nicht versäumen, den Forschern und Ärzten, Schwestern und Pflegern sowie allen, die sich um die kranken Menschen sorgen, für ihre Bemühungen um die Erhaltung und Wiederherstellung der Gesundheit ein aufrichtiges Wort des Dankes zu sagen. Der Dank gilt vor allem dem barmherzigen Gott, der durch die Hilfe von Menschen so viel Gutes wirken läßt.

Bonn/Hannover, den 31. August 1990

Bischof Martin Kruse
Vorsitzender des Ratesder Evangelischen Kirchein Deutschland

Bischof Karl Lehmann
Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz

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