Europa-Informationen, Ausgabe Nr. 161, September 2019

Wirtschaft und Finanzen: Klein, kleiner, europäische Finanztransaktionssteuer

Die Finanztransaktionssteuer (FTT) könnte 2021 Wirklichkeit werden. Darauf hoffen zumindest Deutschland und Frankreich, die durch ein im Dezember 2018 veröffentlichtes gemeinsames Positionspapier den seit 2011 währenden Diskussionen über die EU-weite Besteuerung von Finanztransaktionen einen neuen Impetus verliehen haben (siehe EKD Europa-Informationen Nr. 154). Im Rahmen der deutsch-französischen Regierungskonsultationen hatten sich die Finanzminister beider Staaten am 19. Juni 2018 dazu bekannt, die Verhandlungen zu einem erfolgreichen Abschluss führen zu wollen. Bereits seit 2013 diskutieren insgesamt zehn EU-Mitgliedstaaten, darunter Deutschland, Frankreich, und Griechenland, über die Einführung der Steuer, im Rahmen einer verstärkten Zusammenarbeit. Der deutsch-französische Vorschlag baut auf der FTT in Frankreich auf und sieht vor, den Erwerb von Aktien von bestimmten gelisteten Unternehmen zu besteuern, die ihren Hauptsitz in einem EU-Mitgliedstaat haben und deren Marktkapitalisierung 1 Mrd. € übersteigt. Derivate und Anleihen werden nicht erfasst. Der Steuersatz sollte dabei 0,2 % nicht unterschreiten. Die hierdurch generierten Einnahmen werden auf rund 3,5 Mrd. € geschätzt. Kritik gab es vor allem an der alleinigen Aktienbesteuerung, die vor allem Kleinanleger belasten würde. Dies entspräche nicht der ursprünglichen Idee, die in der Finanzkrise 2008/2009 aufgekommen sei, Spekulationsgeschäfte zu versteuern, äußerte etwa der damalige CSU-Europa-Abgeordnete Markus Ferber im Dezember 2018. Doch die Diskussionen liefen weiter und so konnte, laut Bulletin Quotidien Europe, im Mai 2019 ein erster gemeinsamer Kompromisstext diskutiert werden. Am 14. Juni 2019 fand zudem seit 2016 der erste Austausch über die FTT mit allen 28 Mitgliedstaaten im Rat für Wirtschaft und Finanzen statt. Ziel dieses Austausches war es, die übrigen nicht an der verstärkten Zusammenarbeit teilnehmenden Mitgliedstaaten weiterhin in die Diskussionen einzubinden. Neue Interessenten brachte der Austausch jedoch nicht.
Die aktuellen Diskussionen kreisen vor allem um die Fragen der Berechnung und der Verteilung der Einnahmen zwischen den teilnehmenden Staaten. Kleine Staaten, die die Verwaltungskosten zur Einziehung der Steuer bewältigen müssten, aber gleichzeitig kaum Einnahmen verzeichnen würden, sollen durch „garantierte Mindesteinnahmen“ in Höhe von 20 Mio. € den Aufbau und Erhalt der notwendigen Infrastruktur decken können. Spanien, das nach der von Deutschland und Frankreich vorgeschlagenen Berechnungsmethode die höchsten Verluste zu befürchten hätte, blockiert derzeit.
Sollte die Finanztransaktionssteuer wirklich 2021 eingeführt werden, könnte dies mit der Einführung eines Eurozonenbudgets zusammenfallen und auch zu dessen Finanzierung herangezogen werden. Im Anschluss an das Treffen der Minister äußerte sich der deutsche Bundesfinanzminister Olaf Scholz am 14. Juni 2019 optimistisch, noch in diesem Jahr eine Einigung erzielen zu können. Genügend Stoff für Diskussionen gibt es bis dahin auf jeden Fall.

Aktuelle Informationen und einen deutschen Vermerk zum aktuellen Sachstand finden Sie hier: http://bit.ly/ekd-NL-161_WuF-1

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