Europa-Informationen, Ausgabe Nr. 161, September 2019

Eine Erneuerung des europäischen Gedankens? Die Prioritäten des finnischen Ratsvorsitzes

Damian Patting

Zum dritten Mal nach 1999 und 2006 übernimmt für den Zeitraum vom 1. Juli 2019 bis zum 31. Dezember 2019 Finnland den Vorsitz im Rat der Europäischen Union (Ratspräsidentschaft). Die finnische Regierung hat ein Programm unter dem Titel „Sustainable Europe – Sustainable Future“ ausgearbeitet und am 26. Juni 2019 veröffentlicht. Nach dem Programm der finnischen Ratspräsidentschaft soll der Fokus insbesondere auf die Themen Klimaschutz, Rechtsstaatlichkeit, Sicherheit und Verteidigung sowie Migration gelegt werden. Begrüßenswert ist es, dass die Präsidentschaft Verbindungen zwischen den einzelnen Politikfeldern aufzeigt und damit die Kohärenz des politischen Agierens steigert. Die finnische Regierung betont schon in der Einleitung ihrer Programmagenda, dass die europäische Erfolgsgeschichte ihre Verankerung in demokratischen 15
Institutionen, Menschenrechten und der Rechtsstaatlichkeit finde. Die Wahrung rechtsstaatlicher Verhältnisse im gesamten EU-Binnenraum sei bereits aus Glaubwürdigkeitserwägungen heraus entscheidend. Den besonderen Stellenwert der gemeinsamen Werte und der Rechtsstaatlichkeit als Grundpfeiler des Handelns der EU betont die finnische Ratspräsidentschaft dadurch, dass sie die Verbesserungen im Bereich der Kontrolle der Rechtsstaatlichkeit an die erste Stelle ihrer Agenda setzt. Um die Motivation zur Einhaltung rechtsstaatlicher Prinzipien zu wahren, befürworten die Finnen die Idee, die Einhaltung rechtsstaatlicher Mindeststandards mit dem EU-Haushalt zu verknüpfen.
Das Thema Klimaschutz durchzieht das gesamte Programm, so dass der selbstformulierte Anspruch, Klimapolitik müsse sich als Kern-, aber auch als Querschnittsthema in sämtlichen Politikbereichen wiederspiegeln, mit Blick auf das Programm erfüllt wird. Bereits der Titel „Nachhaltiges Europa – Nachhaltige Zukunft“ verdeutlicht die Prioritäten der Ratspräsidentschaft. Sogar das Programm-Logo – so scherzte die finnische Botschafterin – sei nach der erstmaligen Verwendung im Jahr 2006 nunmehr „recycelt“ worden.
Als drittes Kernthema werden die Sicherheitspolitik und Verteidigungszusammenarbeit gesehen. Hier gelte es, auf bestehenden Kooperationen aufzubauen. Die finnische Ratspräsidentschaft spricht sich für die aktuelle restriktive Sanktions-Politik gegenüber Russland aus. Zudem seien Erweiterungsperspektiven im Hinblick auf den Westbalkan von besonderer strategischer Bedeutung.
Auch wenn die Überschrift „weitere Kernthemen“ zunächst vermuten lässt, dass hier eher Nebensächliches behandelt werden soll, formulieren die Finnen klare Vorhaben und Ziele im Bereich der Asyl- und Migrationspolitik. Hier sei eine umfassende Einigung über die Vorschläge zum Gemeinsamen Europäischen Asylsystem äußerst unwahrscheinlich und daher müsse zu einem konstruktiven Miteinander zurückgefunden werden. So könne etwa im Bereich der Regelung legaler Schutzwege in die EU das Resettlement-Programm in Verbindung mit finanziellen Anreizen einen wesentlichen Beitrag leisten, um den Migrationsdruck auf die EU zu verringern und ein Signal der Solidarität zu senden.
Das Programm der finnischen Ratspräsidentschaft finden Sie hier: http://bit.ly/ekd-NL-161_ZdE-5Auch plädiert die finnische Ratspräsidentschaft für einen Umverteilungs-Mechanismus (relocation), um die derzeit von Fall zu Fall erfolgenden unbefriedigenden Ad -hoc-Maßnahmen zu beenden. Insbesondere für die Politikbereiche Migration, Sicherheit und Verteidigung sowie Klimaschutz – so das Programm der finnischen Ratspräsidentschaft – müssten im Mehrjährigen Finanzrahmen entsprechende Mittel vorgesehen werden.
Das Programm erweckt den Eindruck, dass erstmals nach dem Vorsitz durch Rumänien und Österreich nationale Interessen zurückgestellt werden und der europäische Gedanke wieder stärker in den Vordergrund rückt. Dabei gehen die Finnen sehr pragmatisch und sachorientiert vor und sind bereit, etwa im Bereich der Asylpolitik eine Politik der „kleinen Schritte“ zu verfolgen, um das notwendige Vertrauen unter den Mitgliedstaaten wiederherzustellen.

Das Programm der finnischen Ratspräsidentschaft finden Sie hier: http://bit.ly/ekd-NL-161_ZdE-5Auch

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