Wieviel Wissen tut uns gut?

Vorwort

Der medizinische Fortschritt der letzten Jahre hat die Möglichkeiten der Behandlung, vor allem aber der frühzeitigen Erkennung von Krankheiten und ihren Ursachen, sehr erweitert. Dies führt zu einer größeren Sicherheit bei der Diagnose bestimmter Krankheiten und weckt bei vielen Menschen zugleich den utopischen Wunsch, eines Tages in einer Welt ohne Krankheit, Leid und Behinderung leben zu können. Zudem stellt sich ethisch die Frage, wie mit dem Zuwachs des Wissens verantwortlich und gewissenhaft umgegangen werden soll.

Die Deutsche Bischofskonferenz und der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland haben bereits in ihrer gemeinsamen Erklärung Gott ist ein Freund des Lebens von 1989 darauf hingewiesen, welche Herausforderungen und Aufgaben sich beim Schutz des Lebens aus der Sicht der Kirchen stellen. Seither hat die Entwicklung besonders im Bereich der pränatalen (vorgeburtlichen) und prädiktiven (voraussagenden) Medizin zu neuen und weitergehenden Fragen geführt, die gegenwärtig in Wissenschaft und Gesellschaft sehr kontrovers diskutiert werden. Die Kirchen haben sich daher entschlossen, die Woche für das Leben 1997 unter das Motto "Jedes Kind ist liebenswert. Leben annehmen statt auswählen" zu stellen.

Das vorliegende gemeinsame Wort "Wieviel Wissen tut uns gut? Chancen und Risiken der voraussagenden Medizin" will die aktuelle medizinische Entwicklung auf der Grundlage der christlichen Überzeugung reflektieren und ethische Kriterien zur Beurteilung benennen. Im Zusammenhang der voraussagenden Medizin stellt die Präimplantationsdiagnostik - ein neues Untersuchungsverfahren im Rahmen der künstlichen Befruchtung - ein besonderes Problem dar. Da die medizinischen, rechtlichen und ethischen Aspekte dieser in Deutschland bisher nicht erlaubten Methode umstritten sind, ist aus der Sicht der Kirchen derzeit noch keine abschließende Bewertung möglich. Die Mitglieder der Arbeitsgruppe haben sich dennoch entschlossen, auch diesen Fragenkomplex aufzugreifen und im Anhang Abwägungskriterien zu formulieren. Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland und die Deutsche Bischofskonferenz haben den Text beraten und ihm zugestimmt.

Zur exakten Darstellung des Sachverhaltes wird eine Reihe von medizinischen Fachausdrükken verwandt. Um das Verständnis des Textes zu erleichtern, ist ein Glossar beigefügt. Neben dem vorliegenden gemeinsamen Wort werden in einem Arbeitsheft zur Durchführung der Woche für das Leben die vielfältigen Aspekte der Thematik ausführlich behandelt.

Ein besonderer Dank gilt den Mitgliedern der Arbeitsgruppe, die durch ihre engagierte Mitarbeit die Erstellung dieses gemeinsamen Wortes ermöglicht haben.

Hannover/Bonn, im April 1997

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