Leitlinien für eine multifunktionale und nachhaltige Landwirtschaft

Zur Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der Europäischen Union. Eine Stellungnahme der Kammer der EKD für nachhaltige Entwicklung, EKD-Text 114, 2011

6.1 Internationale Verantwortung

Die EU-Agrarpolitik sollte sich klar zu ihrer internationalen Verantwortung bekennen. Sie ist so zu gestalten, dass die Bemühungen anderer Länder, ihre Ernährungssicherung durch eigene Agrarproduktion zu sichern, nicht behindert werden ("do no harm"). Auch sollte die EU ihre Handelspolitik kontinuierlich auf die Folgewirkungen gegenüber den Entwicklungsländern analysieren und beobachten. Die EU-Agrarpolitik sollte weiter gefasst werden und stärker Klimapolitik, Seuchenpolitik, Lebensmittelpolitik, Agrarumweltpolitik, Agrarmarktpolitik und Agrarhandelspolitik als Teil der EU-Agrarpolitik verstehen. Dies sollte eingebunden sein in internationale Regelwerke und Leitlinien, wie z. B. den UN Millennium-Entwicklungszielen, den verschiedenen Leitlinien der Welternährungsorganisation FAO, den Dokumenten der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung (UNCED) und dem Pakt zu den wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechten. Wir erwarten auch von den Institutionen der Agrarpolitik einen Einsatz zum Aufbau weltweiter Entwicklungspartnerschaft als dezidiertes Teilziel der Gemeinsamen Agrarpolitik mit entsprechenden Konsequenzen für die EU-Haushaltspolitik, EU-Handelspolitik und EU-Forschungspolitik.

Eine Konsequenz daraus ist eine verstärkte Binnenmarktorientierung, die eine strukturell bedingte ständige Überproduktion verhindert. Gleichzeitig müssen gerechte Regeln für einen qualifizierten Marktzugang geschaffen werden. Der qualifizierte Marktzugang soll die europäische Landwirtschaft vor Umwelt- und Sozialdumping schützen, da sie innerhalb der EU im internationalen Vergleich tatsächlich höhere Produktionsstandards zu erfüllen haben. Bei der Eindämmung der Finanzspekulation mit Agrarerzeugnissen und des Land Grabbings sollte die EU eine internationale Vorreiterrolle übernehmen.

In vielen Entwicklungsländern, in denen die Ernährungssicherung noch immer nicht gewährleistet ist, nimmt der Anbau von Futtermitteln sowie Energiepflanzen für den Export dramatisch zu. Auch die Produktion von nachwachsenden Rohstoffen für die stoffliche Verwertung gewinnt an Bedeutung und verschärft die Flächenkonkurrenz in den Entwicklungsländern. Die EU sollte die Zulassung von Agrarimporten an die Beachtung von Nachhaltigkeits- und Menschenrechtskriterien binden und darauf hinwirken, dass der Ernährungssicherung Vorrang gewährt wird. Auch sollten die EU und ihre Mitgliedsstaaten die Verabschiedung und Umsetzung der derzeit bei der Welternährungsorganisation FAO erarbeiteten Freiwilligen Leitlinien zum Recht auf Zugang zu Land und anderen natürlichen Ressourcen nachdrücklich unterstützen.

Besonders das europaweite Netz der öffentlichen Agrarforschung sollte wesentlich stärker als bisher Fragen zur nachhaltigen, multifunktionalen Landwirtschaft im europäischen und internationalen Kontext bearbeiten und Forschungspartnerschaften mit Entwicklungsländern ausbauen. Eine verstärkte öffentliche Pflanzen- und Tierzüchtung, die sich an den zukünftigen Nachhaltigkeits-Herausforderungen und an einer erweiterten Agrobiodiversität ausrichtet, ist ebenfalls wünschenswert.

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