Leitlinien für eine multifunktionale und nachhaltige Landwirtschaft

Zur Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der Europäischen Union. Eine Stellungnahme der Kammer der EKD für nachhaltige Entwicklung, EKD-Text 114, 2011

Vorwort

Derzeit finden auf allen Ebenen der EU (Kommission, Europaparlament, EU-Rat) und in den Mitgliedsländern intensive politische Diskussionen über die Neuausrichtung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU für die neue Förderperiode von 2013 bis 2020 statt. Dabei geht es sowohl um die Haushaltsentscheidungen für die EU-Agrarpolitik, deren Jahresetat 55 Milliarden Euro und deren Anteil am EU-Haushalt rund 39% beträgt, als auch um eine inhaltliche Reform. Nicht nur aufgrund der finanziellen Ausstattung hat die Agrarpolitik eine Schlüsselstellung in der EU. Agrarpolitik ist von hoher Bedeutung für viele Fragen und Politikfelder, insbesondere für die Welternährung, die Entwicklungspolitik, die Klimapolitik, die biologische Vielfalt, die Landschaftsgestaltung, die Raumordnungspolitik, die Handelspolitik und die Verbraucherpolitik. Sie ist deshalb nicht als reine, klassische Sektorpolitik zu betrachten. Agrarpolitik ist vielmehr von großer gesamtgesellschaftlicher Bedeutung – national wie international.

Die Kammer für nachhaltige Entwicklung der EKD plädiert mit dieser Stellungnahme eindringlich für eine multifunktionale nachhaltige Landwirtschaftspolitik als Leitbild für die anstehende Reform der Gemeinsamen Europäischen Agrarpolitik. Dieses Leitbild hat nicht nur die soziale und ökonomische Situation der Landwirte sowie der Verbraucher in Europa im Blick, sondern auch ökologische Fragen sowie die Interessen und Rechte der Menschen in den Entwicklungsländern. Allerdings kommt dieser Aspekt – nämlich die Berücksichtigung der Auswirkungen der Europäischen Agrarpolitik auf die ökologische und soziale Lage in den Entwicklungsländern – nach Meinung der Kammer in den angestrebten Reformen zur Gemeinsamen europäischen Agrarpolitik zu kurz.

An der Stellungnahme haben Fachleute aus der Kammer und den Entwicklungswerken sowie Vertreter des kirchlichen Dienstes auf dem Lande und der Beauftragte des Rates für agrarsoziale Fragen mitgearbeitet. Die Autorinnen und Autoren machen auf Zielkonflikte aufmerksam, die nicht einfach zu lösen sind. Sie beanspruchen daher nicht, für dieses komplexe Politikfeld den "Königsweg" gefunden zu haben. Vielmehr geht es ihnen darum, aus der biblischen Perspektive der Schöpfungsverantwortung und des Eintretens für Gerechtigkeit für alle Menschen einige wesentliche Kriterien für eine multifunktionale nachhaltige Landwirtschaft zu benennen. Allen Autorinnen und Autoren möchte ich dafür meinen herzlichen Dank aussprechen.

Es gilt nun, gegenüber der Bundesregierung und der EU-Kommission, aber auch im gesellschaftlichen Diskurs, für solche Leitlinien einer multifunktionalen nachhaltigen Landwirtschaft einzutreten, die die Interessen der Erzeuger und der Verbraucher in Europa und der Menschen in den Entwicklungsländern achten und für die Bewahrung der Schöpfung Sorge tragen. Diese Stellungnahme für eine multifunktionale und nachhaltige Landwirtschaft gründet sich in der Schöpfungsverantwortung des christlichen Glaubens und in dem Auftrag, die Gaben des Schöpfers so zu nutzen, dass sie dem Leben aller dienen.

Hannover, im September 2011

Präses Nikolaus Schneider

Vorsitzender des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland

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