Der Bevollmächtigte des Rates - Büro Brüssel Europa - Informationen Nr. 154

Finanztransaktionssteuer - Endlich in greifbarer Nähe?

Rebecca Laubach

Nachdem die Einführung der Finanztransaktionssteuer innerhalb der Europäischen Union (EU) schon als gescheitert galt, gibt es seit Juli 2016 wieder Hoffnung, dass sie nun doch im Rahmen der verstärkten Zusammenarbeit eingeführt werden könnte. Zuletzt berieten die teilnehmenden Mitgliedsstaaten am 21. Februar 2017 über die Steuer.


Durch die Finanztransaktionssteuer soll der spekulative Handel durch höhere Kosten für Transaktionen unattraktiver werden. Ihre Einführung wurde nach der Finanzkrise 2009 von vielen Seiten, z.B. von den Gewerkschaften, Wohlfahrtsverbänden und kirchlichen Verbänden, gefordert. Sie gehört zu den Gründungsforderungen von Attac.


Im September 2011 legte die Europäische Kommission erstmals einen Vorschlag für eine harmonisierte Finanztransaktionssteuer für die EU vor (EKD-Europa-Informationen Nr.141). Dieser scheiterte im Rat wegen des Einstimmigkeitserfordernisses bei Steuerfragen. Im Februar 2013 legte die Kommission auf Anfrage von elf Mitgliedsstaaten (Frankreich, Deutschland, Belgien, Österreich, Slowenien, Portugal, Griechenland, Slowakei, Italien, Spanien, Estland) einen Richtlinienvorschlag zur Einführung einer Finanztransaktionssteuer im Rahmen der verstärkten Zusammenarbeit gem. Art. 20 Vertrag über die Europäische Union (EUV) vor. Die verstärkte Zusammenarbeit ermöglicht eine Zusammenarbeit einer Gruppe von mindestens neun  Mitgliedsstaaten ohne eine zwingende Beteiligung der anderen Mitgliedsstaaten.


Der Kommissionsvorschlag sieht vor, dass die Steuer auf Transaktionen zwischen Finanzinstituten erhoben wird, sofern mindestens eine Transaktionspartei in einem der teilnehmenden Mitgliedsstaaten ansässig ist. Somit wären auch Geschäfte steuerpflichtig, die außerhalb der teilnehmenden Mitgliedsstaaten durchgeführt werden. Der Handel mit Anteilen und Anleihen würde mit einem Steuersatz von 0,1 Prozent und Derivatkontrakte würden mit einem Steuersatz von 0,01 Prozent besteuert. Die Kommission geht von jährlichen Einnahmen von bis zu 35 Mrd. Euro aus.


Das Europäische Parlament stimmte dem Vorschlag in seiner Position vom  3. Juli 2013 zu. Der Vorschlag wurde bei vier Ratssitzungen im Jahr 2014 verhandelt. Anschließend kamen die Verhandlungen zum Erliegen, wurden im Dezember 2015 noch einmal im Rat aufgenommen und dann ab Juli 2016 wieder in mehreren Formationen und Vorbereitungsgremien diskutiert. Im März 2016 stieg Estland aus den Verhandlungen aus.
In der Sitzung der Gruppe "Steuerfragen" vom 25. Oktober 2016 kündigten die teilnehmenden Mitgliedsstaaten an, dass weitere Verhandlungen und die Ausarbeitung eines Kompromisstextes stattfinden würden. Hinsichtlich der Grundzüge der Finanztransaktionssteuer, z.B. des grundsätzlichen Anwendungsbereichs bestimmter Ausnahmen und der Tatsache, dass alle Transaktionen in einer Kette besteuert werden sollten, bestünde bereits Einigkeit.


Am 17. Januar 2017 wurde, wie bereits im Juli 2016 vom Europäischen Parlament, von der "Hohen Gruppe Eigenmittel" vorgeschlagen, die Finanztransaktionssteuer als Eigenmittel für die EU zu nutzen. Am selben Tag teilte ein Vertreter des Rates mit, eine Einigung könne schon in den nächsten Monaten gefunden werden.Nach wie vor gibt es jedoch Uneinigkeit zwischen den teilnehmenden Mitgliedsstaaten. So darf die belgische Regierung auf Grund einer innerbelgischen Vereinbarung der Richtlinie nur zustimmen, wenn eine Ausnahme für Rentenfonds vorgesehen wird. Michel Sapin, Wirtschafts- und Finanzminister von Frankreich, wies die Forderung nach einer solchen Ausnahme am 20. Februar 2017 zurück, da zu viele Ausnahmen dazu führen würden, dass die ganze Steuer ihren Effekt verlöre. Zudem nutzten beispielsweise französische Staatsbürger nicht Rentenfonds, sondern Lebensversicherungen. Auch diese müsse man dann von der Regelung ausnehmen. Ähnlich äußerte sich auch Wolfgang Schäuble nach dem Treffen der nunmehr 10 beteiligten Mitgliedsstaaten am 21. Februar 2017.Nur eine Finanztransaktionssteuer, die mehrere Staaten umfasst, kann einen stabilisierenden Effekt auf das Finanzsystem haben. Daher erscheint die Einführung in wenigstens 10 Staaten vorzugswürdig gegenüber einzelstaatlichen Regelungen. Die EKD-Synode forderte im "Beschluss zu den Millenniumsentwicklungszielen"  2010 die Einführung einer Finanztransaktionssteuer. Wegen der nach wie vor bestehenden Uneinigkeit erscheint es jedoch unwahrscheinlich, dass es tatsächlich zur Einführung kommen wird.

              

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