Der Bevollmächtigte des Rates - Büro Brüssel Europa - Informationen Nr. 154

Wirft die EU ihre Werte über Bord?

Julia Maria Eichler

Am 03. Februar 2017 haben sich die Europäischen Staats- und Regierungschefs auf ihrer informellen Tagung in Malta auf die Begrenzung des Migrationszustroms über die zentrale Mittelmeerroute nach Italien und Malta und damit in erster Linie aus Libyen geeinigt. Bereits in den Wochen vor dem Gipfeltreffen nahmen die Diskussionen rund um die verstärkte Zusammenarbeit mit Libyen zur Begrenzung von Migrationsströmen erheblich Fahrt auf und ebbten auch danach nicht ab.


Nachdem die Zahlen ankommender Flüchtlinge und Migranten aus der Türkei auf die griechischen Inseln deutlich zurückgegangen sind, rückt Libyen zunehmend in den Fokus. Laut Europäischer Kommission hätten 2016 über 181.000 Menschen versucht auf der zentralen Mittelmeerroute nach Europa zu gelangen. Gleichzeitig seien im selben Jahr über 4.500 Menschen bei diesem Versuch gestorben. Libyen sei dabei für 90 Prozent der Menschen der Abfahrtspunkt auf dem Weg nach Europa. Die Kommission geht davon aus, dass derzeit ca. 300.000 - 350.000 Menschen in Libyen auf die Überfahrt nach Europa warten.


Vor diesem Hintergrund nahmen die Staats- und Regierungschefs bei ihrem informellen Treffen am 03. Februar 2017 die sogenannte Malta-Erklärung an, die einen 10-Punkte-Aktionsplan zu Libyen enthält. Primäres Ziel sei, die wirksame Außengrenzkontrolle sicherzustellen und die illegalen Zuwanderungsströme in die EU einzudämmen. Die Staats- und Regierungschefs bekannten sich klar zur EU-Türkei-Erklärung (EKD-Europa-Informationen 152), die hinsichtlich der östlichen Mittelmeerroute den gewünschten Erfolg gehabt habe. Hinsichtlich der zentralen Mittelmeerroute müssten jetzt zusätzlich zu den bereits beschlossenen langfristigen Maßnahmen (z.B. Partnerschaftsrahmen) operative Maßnahmen entlang der Migrationsroute ergriffen werden. Entscheidend sei die Stabilisierung Libyens. Der Aufbau von Kapazitäten sei dringend notwendig, damit die Behörden die Land- und Seegrenzen kontrollierten könnten. Dabei müsse sowohl die Zusammenarbeit mit regionalen und lokalen Gemeinschaften als auch mit internationalen Organisationen im Land intensiviert werden.
Die zehn Punkte die vorrangig bearbeitet werden sollen, umfassen u.a. die Ausbildung, Ausrüstung und Unterstützung der libyschen nationalen Küstenwache; weitere Anstrengungen zur Zerschlagung des Geschäftsmodells von Schleusern durch verstärkte operative Maßnahmen; Unterstützung der Entwicklung der lokalen Gemeinschaften in Libyen; Bemühungen gemeinsam mit dem UN-Flüchtlingskommissar (UNHCR) und der Internationalen Organisation für Migration (IOM) angemessene Aufnahmekapazitäten und -bedingungen für Migranten in Libyen zu gewährleisten; Maßnahmen für die unterstützte freiwillige Rückkehr und Informationskampagnen für Migranten in Libyen, Herkunfts- und Transitländern sowie der vertiefte Dialog mit den libyschen Nachbarländern. Hinsichtlich der auswärtigen Migrationspolitik sollten mögliche Hindernisse ermittelt werden, beispielsweise hinsichtlich der zu erfüllenden Bedingungen für Rückführungen.


Wie viel die EU in Zusammenarbeit mit Libyen von ihren Zielen aber tatsächlich erreichen kann, bleibt abzuwarten. In Reaktion auf die den Malta-Gipfel vorbereitende gemeinsame Mitteilung der Europäischen Kommission und der EU-Außenbeauftragten zur "Steuerung der Migrationsströme entlang der zentralen Mittelmeerroute", in der verschieden konkrete operationelle Maßnahmen aufgeführt sind, um Schleusernetze und Menschenhändlerringe zu bekämpfen, die Migrationsströme besser zu steuern und die Lebensbedingungen von Migranten und Flüchtlingen in Libyen und den Nachbarländern zu verbessern, hatten UNHCR und IOM bereits Anfang Februar in einem gemeinsamen Brief gewarnt, dass die Unsicherheit in Libyen es erheblich erschweren würde, auch nur eine Grundversorgung für Menschen in Not anzubieten. Zudem sei es aus ihrer Sicht weder angebracht Libyen als einen sicheren Drittstaat anzusehen noch extraterritoriale Verfahren in Nordafrika durchzuführen. Notwendig seien auch Neuansiedlung und humanitäre Aufnahme aus Libyen. Eine Sicht die von den Kirchen geteilt wird. Sie sehen die Initiative aus Brüssel aufgrund der verheerenden Menschenrechtslage im Land sehr skeptisch. Wie unberechenbar zudem auch die politische Situation in dem zusammengebrochenen Staat ist, zeigt das nur einen Tag vor dem Malta-Gipfel zwischen Italien und Libyen geschlossene "memorandum of understanding". Dieses beinhaltet neben Maßnahmen zur Bekämpfung von Menschenschmuggel, der Ausbildung und Ausrüstung des libyschen Küstenschutzes, auch größeren Zugang in Libyen  für UNHCR und IOM sowie, laut dem Ministerpräsident der libyschen Einheitsregierung, auch die "Rückführung von Migranten".  Doch schon Ende März entschied ein Gericht in Tripolis die Umsetzung des Memorandums auszusetzen. Die Kläger hatten geltend gemacht, dass der Ministerpräsident der libyschen Einheitsregierung zum Abschluss eines solchen Memorandums nicht befugt sei.


Die sogenannte Malta-Erklärung der Staats- und Regierungschefs finden Sie hier:

 

http://ekd.be/2plmFJh

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