Europa - Informationen Nr. 159

Langsam wird es ernst: Die Spitzenkandidaten für die Europawahlen

Eike Wiesner

Manfred Weber gegen Frans Tim­mermans. Auf dieses Duell scheint es bei den kommenden Europa-wahlen hinauszulaufen. Manfred Weber, aktuell Fraktionschef der christlich-konservativen EVP im Europäischen Parlament und stell­vertretender Parteivorsitzender der CSU, möchte „aus der Welt einen besseren Ort machen“. Er wäre der erste Deutsche an der Spitze der Europäischen Kommis­sion seit Walter Hallstein, der bis 1967 Präsident der damaligen Eu­ropäischen Wirtschaftsgemeinde war. Frans Timmermans dagegen, Erster Vizepräsident in der aktu­ellen Juncker-Kommission und zu­ständig für Rechtsstaatlichkeit und interinstitutionelle Beziehungen, setzt als Sozialdemokrat auf so­ziale Gerechtigkeit und Nachhal­tigkeit. Die beiden europäischen Spitzenkandidaten werden in den kommenden Monaten die öffent­liche Debatte rund um die Euro­pawahlen entscheidend mitprägen. Jedoch werden auch die deutschen Spitzenkandidaten ihrer Parteien eigene Akzente setzen.

CSU: Wie die EVP tritt auch die CSU mit Manfred Weber im Wahl­kampf an. Er wurde mit 98,9 Pro­zent der Stimmen auf Platz eins der CSU-Liste gewählt. In seiner Bewerbungsrede um den Posten des Spitzenkandidaten appellierte Weber für ein starkes, einiges und stabiles Europa, in dem es keinen Platz für Populisten und Extremis­ten geben dürfe. Auch CSU-Chef Seehofer warb für die CSU als Europa-Partei. Die Christsozialen erhoffen sich durch die Personalie Weber einen Aufschwung bei der Europawahl.

SPD: Die SPD geht nach langer Su­che mit der Bundesjustizministerin Katarina Barley ins Rennen. Die promovierte Juristin musste Medi­enberichten zufolge erst vom Pos­ten der Spitzenkandidatin durch  Parteichefin Andrea Nahles überzeugt werden. Zuvor hatte sie das Angebot mehrfach abgelehnt. Mit ihr bieten die Sozialdemokraten nun erstmals eine Frau auf Platz eins für Europa auf. Beobachter und Parteifreunde halten sie auch dank ihrer Biographie für eine ide­ale Besetzung. So lebt die Justizmi­nisterin im Vierländereck bei Trier, besitzt neben der deutschen auch die britische Staatsbürgerschaft und spricht drei Sprachen fließend. Barley selbst bezeichnet die Euro­pawahl als wichtigste Wahl in die­sem Jahrzehnt, weil sie über mehr Zusammenarbeit oder „Jeder ge­gen jeden“ entscheide. Mit Martin Schulz hatte die SPD immerhin 28 Prozent der Stimmen bei der letz­ten Wahl erhalten.

CDU: Die CDU hat noch keinen Spitzenkandidaten nominiert.

FDP: Für die FDP tritt mit Ge­neralsekretärin Nicola Beer die Wunschkandidatin von Parteichef Christian Lindner als Spitzenkandi­datin an. Die 48-Jährige, von 2009 bis 2012 hessische Staatssekre­tärin für Europaangelegenheiten, soll das pro-europäische Profil der FDP schärfen. Für die FDP sei die kommende Wahl eine „Schicksals­wahl“. Dafür geht die Partei auch ein europäisches Bündnis mit dem französischen Präsidenten Macron und seiner Partei La République En Marche ein.

GRÜNE: Die Grünen haben die beiden Europaabgeordneten Ska Keller und Sven Giegold zu ihren Spitzenkandidaten für die Europa-wahl gewählt. Giegold ist derzeit Mitglied im Ausschuss für Wirt­schaft und Währung im Europäi­schen Parlament. In seiner Rede forderte er ein sozialeres Europa mit verbindlichen Mindestlöhnen und sozialen Sicherheiten sowie eine stärkere Rolle der EU gegen Steuerflucht. Keller warb in ihrer Bewerbungsrede für ein Europa der Demokratie und der Men­schenrechte, in dem kein Platz für Rechtspopulisten sein dürfe. Zurzeit ist sie Ko-Vorsitzende der Grünen/EFA Fraktion sowie migrations- und handelspolitische Sprecherin im Europäischen Par­lament.

LINKE: Die Linke tritt ebenfalls mit einem Spitzenduo an. Özlem Alev Demirel aus Nordrhein-Westfalen und Martin Schirdewan aus Ber­lin sollen die Linke in den Euro­pawahlkampf führen. Demirel saß zwischen 2010 und 2012 im Land­tag NRW und arbeitet derzeit als Gewerkschaftssekretärin bei der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di. Schirdewan sitzt seit 2017 im Europäischen Parlament und ist zuständig für Wirtschafts-, Steuer- und Finanzpolitik. Beide stünden laut Linken-Parteichefs Katja Kip­ping und Bernd Riexinger gegen Steuerhinterziehung, Abschottung, Lohndumping und Austeritätspoli­tik in Europa.

AFD: Jörg Meuthen wird die AfD als Spitzenkandidat in die kom­mende Europawahl führen. Der derzeit einzige AfD-Abgeordnete im Europäischen Parlament wur­de als einziger Kandidat mit 90 Prozent der Stimmen gewählt. Meuthen machte in seiner Bewer­bungsrede deutlich, dass er nicht für einen EU-Austritt Deutsch-lands stehe. Man wolle vielmehr die Mehrheitsverhältnisse im Euro­päischen Parlament verändern, die Brüsseler „Eurokratie“ abschaffen und sich dafür Bündnispartner in Italien, Ungarn und Österreich su-chen.

Neben den Bundestagspartei­en macht auch die Kleinstpartei „Demokratie in Bewegung“ in Zusammenarbeit mit der paneu­ropäischen Bewegung „Democra­cy in Europe – Movement 2025“ (DiEM25) auf sich aufmerksam. So tritt das Bündnis in Deutschland mit dem ehemaligen griechischen Finanzminister Yanis Varoufakis als Spitzenkandidat für die Europa­wahl an. Bei seinem ersten Auftritt begründete Varoufakis seine Moti­vation mit der europäischen Spar­politik und plädierte für die Einfüh­rung eines Investitionsprogramms in grüne Energie und Technologien, finanziert aus EU-Anleihen.

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