"... und der Fremdling, der in deinen Toren ist."

Vorwort

Vor dem Hintergrund der politischen Auseinandersetzungen Anfang der 90er Jahre über eine Begrenzung der immens angestiegenen Asylbewerberzahlen haben die Deutsche Bischofskonferenz und der Rat der Evangelische Kirche in Deutschland mit ihrer gemeinsamen Erklärung zur Aufnahme von Flüchtlingen und zum Asylrecht vom 26. November 1992 an die politisch verantwortlichen Kräfte in Bund, Ländern und Gemeinden appelliert, "eine Asyl- und Flüchtlingspolitik in die Wege zu leiten, die das Grundrecht auf Asyl für politisch Verfolgte schützt und im erforderlichen Umfang die Zuwanderung steuert und begrenzt".

Mit der Vorbereitung und Verabschiedung dieser Erklärung sind die Deutsche Bischofskonferenz und der Rat der Evangelische Kirche in Deutschland übereingekommen, in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen eine umfassende Ausarbeitung vorzubereiten, die die vielfältigen Aspekte und Zusammenhänge von Migration, Flucht und Vertreibung darstellt und zugleich Grundlagen und Perspektiven für einen Beitrag zum gesellschaftlichen Dialog in diesen Fragen, ihrer politischen Gestaltung und für die kirchliche Arbeit mit Migranten und Flüchtlingen aufzeigt. Mit der Ausarbeitung wurde eine ökumenische Arbeitsgruppe beauftragt, die im Januar 1993 ihre Arbeit aufgenommen hat. Zu der von der Arbeitsgruppe vorgelegten Ausarbeitung sind zahlreiche Änderungs- und Verbesserungsvorschläge eingegangen, die bei den abschließenden Beratungen Berücksichtigung gefunden haben.

Das Gemeinsame Wort der Kirchen zu den Herausforderungen durch Flucht und Migration wird hiermit der Öffentlichkeit vorgelegt. Die Deutsche Bischofskonferenz, der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland und die Leitungsgremien derjenigen weiteren Mitglieds- und Gastkirchen aus der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland, die auf der Titelseite genannt sind, haben sich die Erklärung zu eigen gemacht und tragen sie gemeinsam. Das Gemeinsame Wort spiegelt nicht nur einen innerkirchlichen Meinungsbildungsprozeß wider, sondern möchte vor allem zu einer umfassenden Rezeption und Beratung in Gemeinden, Gruppen und Öffentlichkeit beitragen. Eine breite Konsensbildung zu den vielschichtigen Aspekten von Migration und Flucht sowie den Fragen der Aufnahme und Integration von Flüchtlingen ist dringend erforderlich; denn diese Fragen gehören zu den bedrängendsten politischen und sozialethischen Herausforderungen der Gegenwart. Meinungen und Einstellungen dazu werden oftmals emotionsgeladen vorgetragen oder nehmen aggressive Formen an. Deshalb ist es notwendig, sowohl Vorurteilen und Fremdenfeindlichkeit entschieden entgegenzutreten als auch dazu beizutragen, daß die damit zusammenhängenden Probleme differenziert und in ihrer Vielschichtigkeit wahrgenommen und bewertet werden.

Der Titel des Gemeinsamen Wortes "... und der Fremdling, der in deinen Toren ist" - ein Zitat aus dem Alten Testament - weist auf eine lange theologische Tradition der Auseinandersetzung mit dem Schicksal und dem Recht des Fremden hin. Diese biblische Verankerung des Themas, der ein zentraler Teil dieser Veröffentlichung gewidmet ist, mag manchen nicht bewußt sein. Sie bildet aber die Grundlage und die Zielrichtung für die Verpflichtung und das Engagement der Kirchen, aus dem Geist des Evangeliums für Menschen einzutreten, die in ihren Rechten, ihrer Würde, ihrem Wohlergehen oder ihrer Existenz bedroht sind.

Bonn/Hannover/Frankfurt am Main, im Juni 1997

Bischof Dr. Dr. Karl Lehmann
für die Deutsche Bischofskonferenz

Landesbischof Dr. Klaus Engelhardt
für den Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland

Bischof Dr. Walter Klaiber
für die mitbeteiligten weiteren Mitglieds- und Gastkirchen der
Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland

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