Europa-Informationen, Ausgabe 153, Dezember 2016

"Europa in Solidarität" - EKD Synode beschließt Europakundgebung

OKR'in Katrin Hatzinger

"Europa in Solidarität" - EKD Synode beschließt Europakundgebung

OKR'in Katrin Hatzinger

Auf ihrer Tagung in Magdeburg vom 5. bis 9. November 2016 hat sich die Synode der EKD in diesem Jahr intensiv mit der Zukunft der Europäischen Union befasst und am 9. November 2016 einen Kundgebungstext verabschiedet. Zuvor hatte die schwedische Erzbischöfin Antje Jackelén am 7. November 2016 mit ihrer Bibelarbeit auf das biblische Motto der Kundgebung eingestimmt, das Gleichnis vom barmherzigen Samariter aus dem Lukasevangelium. Sie mahnte, sich eigene "Grabenerfahrungen" zu vergegenwärtigen und nicht zu vergessen, dass wir selbst "im Graben liegend" immer wieder auf Solidarität, Zuwendung und Unterstützung von anderen angewiesen sind. Im Anschluss moderierte die Präses der EKD-Synode, Frau Dr. Schwaetzer, einen Austausch zwischen der Erzbischöfin, Frère Alois, dem Prior der ökumenischen Bruderschaft von Taizé und dem Staatsminister für Europa im Auswärtigen Amt, Michael Roth. Während Staatsminister Roth die durchaus ambivalente Rolle der Kirchen in der Europadebatte ansprach, waren sich Frère Alois und die Erzbischöfin einig, dass der gemeinsame Glaube Dialog erleichern und Grenzen überwinden kann. Sie warben daher für mehr Austausch und Begegnung in Europa. Das Sozialwissenschatliche Institut der EKD stellte zudem eine Studie vor, die u.a. den Blick der Deutschen auf Europa untersuchte. Danach identifiziert sich die Mehrheit der Befragten sowohl mit Deutschland als auch mit Europa. Fast neun von zehn Bürgern wünschen sich allerdings, dass die EU die Schwächeren stärker in den Blick nimmt. 58% der Befragten fühlen sich zudem nicht ausreichend über europäische Entscheidungen informiert. 63% sehen das Friedensprojekt Europa durch ein Europa der Nationalstaaten in Gefahr.


In zehn verschiedenen Arbeitsgruppen diskutierten die Synodalen im Anschluss  verschiedene Facetten des Europathemas. So ging es um eine Vision für die EU im Jahr 2050, Europas Rolle im Klimaschutz, eine humane Flüchtlingspolitik, Europas Jugend oder die Herausforderung von Populismus und Nationalismus. Aus den Arbeitsgruppen und der Plenaraussprache flossen viele Anregungen in den Kungebungstext ein, der letztlich am 9. November 2016 vom Plenum verabschiedet wurde. Als Motto steht die Formulierung aus dem Lukasevangelium über dem Text: "So wirst du leben." (Lk 10,28). Denn so lautet die Zusage an alle, die Gott und ihre Nächsten lieben: "Tu das, so wirst du leben." Damit ist angesprochen, worum es bei der Frage nach der Zukunft Europas geht: Wie wollen wir leben? Halten wir an den, auch christlich geprägten, Werten fest, auf die die Europäische Union gründet - Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit, Wahrung der Menschenrechte? Wie steht es um die europäische Solidarität, zwischen den Staaten, zwischen den Bürgern der EU?


Die Synode sieht im geeinten Europa viele Chancen und kritisiert die Haltung einiger Mitgliedstaaten den Europagedanken nur insoweit mitzutragen, als er "den nationalen Interessen" diene. Die Kirche sieht ihren Auftrag darin, grenzüberschreitend, Menschen zu verbinden. Auch "Flüchtlingen und Fremden zu helfen und ihr Leben zu schützen", sei "unaufgebbarer Teil christlicher Existenz". Die Synode ist der Auffassung, dass es "einen europaweiten öffentlichen Diskurs über unsere gemeinsamen Werte und Interessen" brauche. Dabei spielen die ökumenischen Bünde als bewährte Akteure eine wichtige Rolle, ebenso wie bestehenden Kirchenpartnerschaften. Ausdrücklich begrüßt die Synode, die Initiative hin zu einem europäischen Kirchentag ("European Christian Convention"). Wichtig ist der Synode auch die Auseinandersetzung mit Andersdenkenden. Zwar werden "populistische Angstmache und rechte Hetze" verurteilt, Menschen sollen aber nicht pauschal abgeschrieben und "ihre Köpfe und Herzen nicht Rechten und Populisten" überlassen werden.
Die Synode fordert sichere und legale Wege für Schutzsuchende in die EU und  tritt für ein soziales Europa ein. Sie begrüßt den Ansatz der EU-Kommission über eine europäische Säule sozialer Rechte, die soziale Dimension der Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) sichtbar zu machen und setzt sich für eine"Social Governance"-Struktur der WWU ein. Auch die Handlungsfähigkeit der EU-Institutionen müsse gestärkt werden, Transparenz hergestellt und die demokratische Legitimation des Europäischen Parlaments ausgebaut werden. Die Synode unterstützt die EU als Friedensprojekt und fordert zudem ein nachhaltiges Europa, das dem Leitbild einer "Wirtschaft im Dienst des Lebens" folge. Die Kundgebung schließt mit dem Appell zur Begegnung in Europa. "Lasst Euch keine Zäune und Mauern in Köpfe und Herzen setzen!" Die Politik wird aufgefordert, den jungen Menschen "faire Chancen zur Teilhabe am Arbeitsleben und an der Gestaltung der gemeinsamen Zukunft zu geben". Der Text endet mit dem Aufruf, gemeinsam den Dialog über unsere Zukunft in Europa zu führen. "Denn Europa - das sind wir."

Den Kundgebungstext finden Sie hier: http://ekd.be/Kundgebungstext

Die komplette Studie des SI ist unter folgender Adresse zu finden: http://ekd.be/Studie_SI

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