Europa-Informationen, Ausgabe 153, Dezember 2016

CETA überspringt alle Hürden - vorläufig

Julia Maria Eichler

CETA ist unterschrieben!  Am 30. Oktober 2016 haben die EU und Kanada ihr umfassende Wirtschafts- und Handelsabkommen (CETA) unterzeichnet.


Was sich in den Wochen davor ereignet hatte, glich einem Drama in mehreren Akten. Denn eigentlich sollte CETA am 27. Oktober 2016 feierlich während des EU-Kanada-Gipfels unterzeichnet werden. Dafür hätten die EU-Handelsminister auf dem Rat am 18. Oktober 2016 ihre Zustimmung zu CETA geben müssen. Doch daraus wurde nichts.


Bereits in den Wochen vor dem Handelsministerrat hatte die EU und Kanada über ein rechtlich verbindliches "Gemeinsames Auslegungsinstrument"   verhandelt, um einzelnen Bedenken der Mitgliedstaaten entgegen zu kommen und verbindliche Auslegungen der im CETA verwendeten Begriffe für spezifische Sachverhalte festzuschreiben.


Trotzdem stellte sich Belgien beim Handelsrat quer. Konkret verhinderte die Wallonie mit 3,6 Millionen Einwohnern und etwas über 16.888 qm Fläche mit ihrem Veto, dass die belgische Föderalregierung CETA zustimmen konnte.


Ob dies nun ein Akt gelebter Demokratie, absurden Föderalismus oder der belgischen Streitlust war, darüber stritten sich die Kommentatoren. Klar war aber, dass der Termin zur geplanten Unterzeichnung nicht zu halten war.


Es folgten nächtliche Verhandlungen, verstrichene Ultimaten, enttäuschende Vermittlungsvorschläge und am Ende eine Zusatzerklärung Belgiens, mit der die wallonischen Bedenken ausgeräumt werden konnten. In der Zusatzerklärung kündigte u.a. Belgien an, den Europäischen Gerichtshof (EuGH) über die Rechtmäßigkeit von Schiedsgerichte anzurufen. Zudem sollen die Regionen ein Vetorecht auch bei der späteren Ratifikation von CETA haben und die Bauern einen Schutzmechanismus, etwa wenn sie sich durch massive Importe bedroht fühlen.


Zuvor musste CETA bereits vor dem Bundesverfassungsgericht bestehen. Im Eilverfahren wollten die Antragssteller verhindern, dass die Bundesregierung dem Abschluss und der vorläufigen Anwendbarkeit des CETA-Abkommens im Handelsrat zustimmt und damit CETA in Teilen vorläufig in Kraft tritt, noch bevor der Bundestag zugestimmt hat.


Die im Eilverfahren erfolgte Folgenabwägung der Richter in Karlsruhe fiel am 13. Oktober 2016 jedoch zugunsten CETAs aus. Im Urteil führten die Richter aus, dass im Eilverfahren ein strenger Maßstab anzulegen sei, der noch weiter verschärft werde, wenn eine Maßnahme völkerrechtlichen oder außenpolitischen Auswirkungen habe.


Das Bundesverfassungsgericht begründete seine Entscheidung damit, dass die Nachteile einer Zustimmung der Bundesregierung weniger schwer wiegen würden, als wenn der Bundesregierung per einstweilige Anordnung die Zustimmung zur Unterzeichnung des CETA-Abkommens im EU-Ministerrat untersagt würde, sich die Mitwirkung später aber als verfassungsrechtlich zulässig erwiese.


Denn ein - auch nur vorläufiges - Scheitern von CETA dürfte über eine Beeinträchtigung der Außenhandelsbeziehungen zwischen der Europäischen Union und Kanada hinaus weit reichende Auswirkungen auf die Verhandlung und den Abschluss künftiger Außenhandelsabkommen haben. Insofern erscheine es naheliegend, dass sich der Erlass einer einstweiligen Anordnung negativ auf die europäische Außenhandelspolitik und die internationale Stellung der Europäischen Union insgesamt auswirken würde. Die mit dem Erlass einer einstweiligen Anordnung bei späterer Erfolglosigkeit der Hauptsache verbundenen Nachteile könnten sich mit hoher Wahrscheinlichkeit als irreversibel erweisen. Die zu erwartende Einbuße an Verlässlichkeit sowohl der Bundesrepublik Deutschland - als Veranlasser einer derartigen Entwicklung - als auch der Europäischen Union insgesamt könnte sich dauerhaft negativ auf den Handlungs- und Entscheidungsspielraum aller europäischen Akteure bei der Gestaltung der globalen Handelsbeziehungen auswirken, so das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil.


Bedenken des Bundesverfassungsgerichts konnte die Bundesregierung durch Zusicherungen ausräumen. Die Richter knüpften dementsprechend ihre Billigung an drei Bedingungen:

Die Bundesregierung müsse sicherstellen, dass die vorläufige Anwendung nur die CETA-Bereiche umfassen werde, die unstreitig in der EU-Zuständigkeit fielen.


Zudem müsse bis zu der Hauptsache-Entscheidung  eine hinreichende demokratische Rückbindung der im Gemischten CETA-Ausschuss gefassten Beschlüsse gewährleistet sein.


Zuletzt müsse die Regierung sicherstellen, dass Deutschland die vorläufige Anwendung von CETA erforderlichenfalls einseitig beenden könne.
Diese Bedingungen waren im Rahmen einer Zusatzerklärung, die vom Juristischen Dienst des EU-Rates grünes Licht erhalten hatte, erfüllt worden.


Bevor CETA nun vorläufig anwendbar wird, muss noch das Europäische Parlament zustimmen. Dies ist für Anfang 2017 geplant. Einen Antrag von 89 Abgeordneten CETA zunächst dem EuGH vorzulegen, hatte das Europäische Parlament am 23. November 2016 abgelehnt.


Doch CETA ist damit noch lange nicht beschlossene Sache. Nicht nur wird das Bundesverfassungsgericht noch in der Hauptsache über CETA entscheiden. Sondern es bedarf für die endgültige und vollständige Anwendbarkeit die Ratifizierungen durch alle EU-Regierungen. Hierfür ist abhängig vom innerstaatlichen Recht die Zustimmung der nationalen Parlamente notwendig. Auch in Deutschland wird derzeit schon rege diskutiert, ob neben dem Bundestag auch der Bundesrat zustimmen muss. In den Niederlanden sammeln CETA-Gegner bereits eifrig Stimmen für das nächste Referendum. Der Ratifizierungsprozess dürfte damit schwierig und langwierig werden.
Der Präsident der Europäischen Kommission Jean-Claude Juncker kündigte bereits Konsequenzen an. Man müsse überlegen, wie derartige Verhandlungen künftig geführt würden und trennen, was in europäische Zuständigkeit und was in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten falle.

Die einzelnen Ratsbeschlüsse finden Sie hier:  http://ekd.be/2hkYubV

Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts finden Sie hier: http://ekd.be/2hszX5k

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