Europa - Informationen Nr. 158

Europäische Förderpolitik: Die Quadratur des Kreises: Das Feilschen um den zukünftigen EU-Haushalt hat begonnen

Ulrike Truderung (Referentin für EU-Förderpolitik/-projekte)

Am 2. Mai 2018 hat die Europäische Kommission unter dem Titel „Ein moderner Haushalt für eine Union, die schützt, stärkt und verteidigt“ ihren lange angekündigten Vorschlag für den Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) der Europäischen Union in der kommenden Haushaltsperiode 2021-2027 vorgelegt. Der derzeitige MFR läuft 2020 aus, für die Zeit ab 2021 muss also ein neuer Haushaltsplan für die kommende siebenjährige Förderperiode verabschiedet werden.

Die Europäische Kommission stand bei der Entwicklung des Haushaltsvorschlags vor der Herausforderung, einerseits die Beitragsausfälle durch den Austritt des Vereinigten Königreichs und die zugleich ansteigenden notwendigen Ausgaben durch neu hinzukommende Aufgaben miteinander in Einklang zu bringen und andererseits die Kluft zwischen den Mitgliedstaaten, die zu höheren Zahlungen bereit wären, und jenen Mitgliedstaaten, die eine Kürzung oder Beibehaltung des Budgets befürworten, zu überbrücken.

Der Vorschlag gliedert sich in insgesamt sieben Haushaltstitel („Headings“):

Binnenmarkt, Innovation und Digitales

Zusammenhalt und Werte

Natürliche Ressourcen und Umwelt

Migration und Grenzmanagement

Sicherheit und Verteidigung

Nachbarschaft und Welt

Europäische öffentliche Verwaltung

Die Anzahl der individuellen EU-Förderinstrumente bzw. -programme soll nach den Vorstellungen der Kommission von derzeit 58 auf 37 sinken.

Der Haushaltsentwurf sieht nach den eigenen Angaben der Kommission eine moderate Erhöhung des Gesamtbudgets von derzeit 1% des Bruttonationaleinkommens (BNE) der 28 EU-Mitgliedstaaten auf 1,114% des BNE der EU-27 vor. Auf Deutschland würden in diesem Fall innerhalb der MFR-Laufzeit 2021-2027 wohl rund 10-12 Milliarden Euro zusätzliche Beiträge zukommen.

Einige Programme, deren europäischer Mehrwert als besonders hoch eingestuft wurde, sollen nach Angaben der Kommission in teilweise starkem Maße aufgestockt werden, Kürzungen sollen unter anderem bei der Kohäsions- und Agrarpolitik vorgenommen werden. So soll das erfolgreiche Programm Erasmus+ von derzeit rund 15 Mrd. € auf rund 30 Mrd. € aufgestockt werden, wobei 700 Mio. € nach Wunsch der Kommission für kostenlose Interrail-Tickets für junge Menschen vorgesehen werden sollten. Gleichzeitig sollen verstärkte neue Quellen für Eigenmittel der EU, also von Einnahmen, die nicht aus Mitgliedsbeiträgen der Mitgliedstaaten stammen, erschlossen werden. Kritik an den Vorschlägen ließ nicht lange auf sich warten. Während die Kommission von Kürzungen um 5% bei der Gemeinsamen Agrarpolitik und um 7% bei der Kohäsionspolitik spricht, errechnete der Wissenschaftliche Dienst des Europäischen Parlaments nach Berücksichtigung der inflationsbereinigten Zahlen im Vergleich zum MFR 2014-2020 eine effektive Kürzung von 12,5%. Zudem wiesen zahlreiche Stimmen aus dem EP und von Interessensvertretern darauf hin, dass unter Berücksichtigung der inflationsbereinigten Zahlen und der Tatsache, dass nach 2020 der bislang außerhalb des MFR laufende Europäische Entwicklungsfonds (EDF) erstmals in den Haushalt integriert werden soll, das Volumen des Haushalts nach 2020 in absoluten Zahlen tatsächlich nicht steigen, sondern vielmehr leicht abnehmen würde.

Offensichtlich wurden hier also seitens der Kommission einige Rechentricks herangezogen, um den Haushalt möglichst allen Seiten schmackhaft zu machen: die Kürzungen wurden als moderat und das Budget als leicht erhöht dargestellt, um dem Parlament und jenen Mitgliedstaaten entgegenzukommen, die eine Erhöhung des Budgets und geringe Kürzungen insbesondere im Bereich der Kohäsionspolitik gefordert hatten – und gleichzeitig Kritiker wie etwa die Mitgliedsstaaten Österreich, die Niederlande, Dänemark und Schweden zu besänftigen, die insbesondere angesichts des Brexits und des damit einhergehenden Wegfalls der britischen Beiträge eine drastische Kürzung des Budgets gefordert hatten. Das Europäische Parlament hingegen hatte im Vorfeld eine Erhöhung des EU-Haushalts auf 1,3 Prozent des BNE der EU-27 gefordert. Entsprechend enttäuscht zeigten sich zahlreiche Abgeordnete vom nun vorgestellten Haushaltsentwurf.

Im EU-Haushalt nach 2020 soll zudem ein Mechanismus eingeführt werden, der es ermöglichen soll, die Zuweisung von EU-Geldern aus den Europäischen Struktur- und Investitionsfonds (ESIF) an einen Mitgliedstaat von der Rechtstaatlichkeit, welche in diesem Fall insbesondere über die Unabhängigkeit der Justiz definiert wird, abhängig zu machen. Begründet wird dies damit, dass nur von einer unabhängigen Justiz die ordnungsgemäße Abwicklung von EU-Programmen unter geteilter Mittelverwaltung sichergestellt werden könne. Es sind damit also tatsächlich erstmals rechtstaatliche Konditionalitäten (siehe EKD-Europa-Informationen Nr. 157) in den Haushaltsentwurf aufgenommen worden. Allerdings bedürfen diese vor ihrer Anwendung eines einstimmigen Beschlusses im Rat der Europäischen Union, so dass es unwahrscheinlich erscheint, dass solche Konditionalitäten gegen den Willen der „üblichen Verdächtigen“ wie insbesondere Polen und Ungarn beschlossen werden.

Nach der Veröffentlichung des grundlegenden Haushaltskonzepts erschienen dann die einzelnen Vorschläge für konkrete Förderprogramme (siehe nachfolgende Artikel).

Den vollständigen Text des Vorschlags der Kommission zum MFR nach 2020 finden Sie unter:
http://bit.ly/ekd-NL-158_EF-4

 

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