Israelsonntag

Die Klagemauer in Jerusalem: In ihre Fugen werden Gebete und Bitten gesteckt.

Der Israelsonntag erinnert an das enge Verhältnis von Christen und Juden. Die Trauer über das Unrecht, das Juden im Laufe der Geschichte angetan wurde; die Schuld die Christen und die Kirche auf sich geladen haben und die Beziehungen zwischen Juden und Christen im Glauben an den selben Gott stehen aber auch das Bekenntnis zur bleibenden Erwählung Israels stehen an diesem Tag im Mittelpunkt der Gottesdienste. Der Israelsonntag wird am zehnten Sonntag nach Trinitatis gefeiert.

Was ist der Israelsonntag?

Der Israelsonntag, der eine lange und wechselhafte Tradition hat, bietet den christlichen Gemeinden eine Gelegenheit, sich mit den jüdischen Wurzeln ihres Glaubens auseinanderzusetzen. Jesus selbst war wie seine Jünger Jude. Seine Lehren wurzeln in den jüdischen Glaubenstradition und in der hebräischen Bibel. In der Vergangenheit sah sich das Christentum vielfach als Nachfolger und Erbe des Judentums und fühlte sich ihm überlegen. Diese Haltung führte zu einer christlichen Judenfeindschaft und prägte über lange Zeit die Gottesdienste an diesem Tag. Antijudaismus und Antisemitismus haben das Verhältnis von Christen und Juden schwer belastet. Juden mussten im Laufe der Geschichte immer wieder Verfolgungen und Pogrome durch Christen erleiden. Auch der Holocaust im Deutschen Reich ist hier zu nennen.

Dies hat sich erst nach 1945 und nur langsam geändert. Seit der Shoah hat die evangelische Kirche versucht, ein theologisches Verständnis des Judentums zu gewinnen, das frei ist von Antijudaismus und Antisemitismus. Sie hat sich mit ihrer eigenen Schuldgeschichte kritisch auseinandergesetzt. Im Wandel der Namen für diesen Sonntagund der Wahl der Bibeltexte spiegelt sich dieses Umdenken. Der Israelsonntag gibt Gelegenheit, der christlichen Schuldgeschichte und der bleibende Erwählung Israels als Gottes Volk zu gedenken.

Herkunft

Schon seit dem 16. Jahrhundert gibt es den Israelsonntag. Als „Gedenktag der Zerstörung Jerusalems“ erinnerte er zunächst an die zweimalige Zerstörung des Tempels auf dem Tempelberg in Jerusalem. Den ersten Tempel, den so genannten Solomonischen Tempel, haben die Babylonier vor rund 2500 Jahren zerstört. Das Volk wurde ins Exil geführt. Den zweiten Tempel machten die Römer vor rund 2000 Jahren dem Erdboden gleich. Übrig blieb nur die Klagemauer. Das Heiligtum in Jerusalem war das Zentrum des jüdischen Kultes. Bis in die 60er Jahre wurde er auch „Judensonntag“ genannt. Von Christen wurde die Zerstörung des Tempels lange Zeit als Gericht über das jüdische Volk gedeutet, das Jesus nicht als seinen Messias erkannt habe. Im Mittelpunkt stand daher lange Zeit die „Judenmission“, die Bekehrung von Juden zum Glauben an Jesus als den wahren Messias und Sohn Gottes.

Wann wird der Israelsonntag gefeiert?

Die christlichen Gemeinden feiern den Israelsonntag am zehnten Sonntag nach Trinitatis. Das Datum ist angelehnt an den „Tischa be Av“, einem Fasten- und Trauertag am „neunten Tag des Monats“ nach jüdischem Kalender, an dem das jüdische Volk seinerseits der Zerstörung des Jerusalemer Heiligtums gedenkt.

Einordnung im Kirchenjahr

Innerhalb des Kirchenjahrs liegt der Israelsonntag in der langen Zeit nach Trinitatis, in der unterschiedliche Aspekte des christlichen Glaubens thematisiert werden.

Auch an diesem Sonntag sind zwei Akzentsetzungen möglich: Unter der Überschrift „Christen und Juden – Freude an Israel“ können die christlichen Gemeinden die bleibende Erwählung des jüdischen Volkes und die Gemeinsamkeiten von Christentum und Judentum hervorheben. Die liturgische Farbe ist grün. Mit der liturgischen Frage violett können die Gemeinden jedoch auch der Zerstörung Jerusalems, bzw. der Tempel in Jerusalem gedenken und damit den Akzent auf den Bußcharakter des Israelsonntags setzen. Dabei steht die Schuld der Christen und der Kirchen in ihrer Geschichtegegenüber dem Judentum im Zentrum.

Biblische Texte

Zwei Texte stehen traditionell im Mittelpunkt des Israelsonntags. Lukas 19, 41-48 bringt die Trauer Jesu über die Zerstörung der Stadt Jerusalem zum Ausdruck, deren Bewohner nicht erkennen, was dem Frieden dient, und somit auch den Zeitpunkt verpassen, als sie vom – nach christlicher Auffassung – wahren Messias, nämlich Jesus Christus, besucht werden. Indirekt klingt hier der Aspekt der Verfolgung des jüdischen Volkes an. Der Text wurde in der Geschichte jedoch nicht selten antijudaistisch gedeutet: Jerusalem und der Tempel sei als Rache für den Tod Jesu zerstört worden.

Daneben steht Markus 12, 28-34. Dort wird erzählt, dass Jesus mit einem jüdischen Schriftgelehrten über das höchste Gebot spricht, und hebt so die theologische Verbundenheit des Christentums mit dem Judentum und die Treue Gottes zu seinem Volk hervor. Denn sowohl der Schriftgelehrte als Vertreter des Judentums als auch Jesus sehen das Doppelgebot der Liebe als das höchste Gebot an.

Der jüngeren Tendenz an diesem Sonntag  in der Kirche der Verbundenheit mit dem Judentum und der eigenen Schuld gegenüber Israel zu gedenken entspricht die Wahl der Psalmen. Nach der jüngsten Perikopenrevision ist dem Sonntag Psalm 122 zugeordnet, ein Wallfahrtslied, das gegenüber den älteren Wochenpsalmen (84, 106) Gottes bleibende Treue zu seinem jüdischen Volk zum Ausdruck bringt.

Wenn der Israelsonntag schwerpunktmäßig der Zerstörung Israels gedenken soll, können auch Passagen aus Psalm 74 gelesen werden, in dem die Zerstörung des Heiligtums auf dem Berg Zion beklagt wird.

Antisemitismus entgegentreten

Wir erleben, wie Antisemitismus heutzutage in Deutschland wieder salonfähig wird. Viele Landeskirchen rufen ihre Gemeinden deswegen besonders am Israelsonntag dazu auf, Antisemitismus und Rassismus entgegenzutreten. Christinnen und Christen sind besonders gefordert, ihre Solidarität gegenüber Jüdinnen und Juden auszudrücken. Die Evangelische Kirche in Deutschland tritt entschieden gegen Antisemitismus und alle Formen von Judenfeindschaft ein.

Fürbitten

Die Fürbitte für den Israelsonntag könnte die Bedeutung Jesu Christi für alle Menschen bedenken und doch einer Vereinnahmung wehren: „Hilf, dass wir in ganzer Tiefe begreifen, was es heißt, dass dein Sohn in Israel zur Welt gekommen ist. Mach uns wachsam gegen jede Form von Antisemitismus.“ Auch der Friedenwunsch könnte zum Ausdruck gebracht werden: „Breite Frieden über Israel und seine Nachbarn und Gerechtigkeit über die ganze Erde.“