Sterbebegleitung statt aktiver Sterbehilfe

2.9 Christliche Patientenverfügung

Handreichung und Formular der Deutschen Bischofskonferenz und des Rates der EKD in Verbindung mit den übrigen Mitglieds- und Gastkirchen der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland, Bonn/Hannover 1999, S. 11-12; 15-16.

Das Leben ist uns nicht frei verfügbar. Genausowenig haben wir ein Recht, über den Wert oder Unwert eines menschlichen Lebens zu befinden. Jeder Mensch hat seine Würde, seinen Wert und sein Lebensrecht von Gott her. Jeder Mensch ist ungleich mehr und anders, als er von sich selbst weiß. Kein Mensch lebt nur für sich und kann genau wissen, was er für andere bedeutet. Weil Gott allein Herr über Leben und Tod ist, sind Leben und Menschenwürde geschützt. Im Glauben an den Gott des Lebens wissen wir, daß jeder Mensch mit seinem Leben – wie immer es beschaffen ist – unentbehrlich ist. Ohne solche Anerkennung der Würde und des Lebensrechtes jedes Menschen wäre kein Zusammenleben der Menschen möglich. Es gäbe kein Recht und keine Liebe. Würde z.B. ein Arzt oder eine Ärztin, die stets Anwalt des Lebens zu sein haben, einer Bitte von Angehörigen folgen und einen qualvoll leidenden Patienten töten, so würde das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient grundlegend zerstört. Darum muß eindeutig und klar gesagt werden: Das Töten eines Menschen kann niemals eine Tat der Liebe oder des Mitleids sein, denn es vernichtet die Basis der Liebe und des Vertrauens. Weil wir nicht selbst frei über unser Leben und schon gar nicht über das Leben anderer verfügen, lehnen wir jede aktive Beendigung des Lebens ab.

„Aktive Sterbehilfe“ und „passive Sterbehilfe“ müssen deutlich voneinander unterschieden werden. „Aktive“ Sterbehilfe meint die gezielte Tötung eines Menschen, z.B. durch die Verabreichung eines den Tod herbeiführenden Präparates (z.B. Tablette, Spritze, Infusion). Sie ist in Deutschland gesetzlich verboten und wird strafrechtlich verfolgt, und zwar auch dann, wenn sie mit ausdrücklicher Zustimmung des Patienten oder der Patientin erfolgt. „Aktive Sterbehilfe“ ist mit dem christlichen Verständnis vom Menschen nicht vereinbar. Demgegenüber zielt „passive“ Sterbehilfe auf ein menschenwürdiges Sterbenlassen ab durch den Verzicht auf eine lebensverlängernde Behandlung bei einem unheilbar kranken Menschen, der sich im Sterben befindet. „Passive Sterbehilfe“ setzt das Einverständnis des sterbenden Menschen voraus und ist rechtlich und ethisch zulässig.

Die verschiedenen Formen der Sterbehilfe

Es hat sich durchgesetzt, unter dem Begriff „Sterbehilfe“ die Erleichterung des Sterbens eines unheilbar schwerkranken Menschen zu verstehen. Wenn es dabei um mitmenschliche oder seelsorgerliche Hilfe im oder beim Sterben geht, sollte der Begriff „Sterbebegleitung“ verwendet werden.

Mit der Forderung eines „menschenwürdigen Sterbens“ verbindet sich jedoch oft auch die Forderung, selbst über die Dauer der eigenen Lebenszeit und den Zeitpunkt des eigenen Todes bestimmen zu können. „Sterbehilfe“ wird so nicht mehr als Hilfe im oder beim Sterben, sondern als Hilfe zum Sterben (im Sinne der sog. „aktiven Sterbehilfe“) verstanden.

Da der Begriff „Sterbehilfe“ in seiner Vieldeutigkeit immer wieder Anlaß zu solchen Mißverständnissen gibt, müssen die verschiedenen Formen der Sterbehilfe unterschieden werden:

„Passive Sterbehilfe“ zielt auf ein menschenwürdiges Sterbenlassen ab durch den Verzicht auf eine lebensverlängernde Behandlung bei einem unheilbar kranken Menschen, der sich im Sterben befindet. Sie setzt sein Einverständnis voraus und ist rechtlich und ethisch zulässig.

„Indirekte Sterbehilfe“ wird geleistet, wenn tödlich Kranken ärztlich verordnete schmerzlindernde Medikamente gegeben werden, die als unbeabsichtigte Nebenfolge den Todeseintritt beschleunigen können. Solche indirekte Sterbehilfe wird in Abwägung der ärztlichen Doppelpflicht – Leben erhalten und Schmerzen lindern – für rechtlich und ethisch zulässig gehalten.

„Aktive (oder direkte) Sterbehilfe“ meint die gezielte Tötung eines Menschen, z.B. durch die Verabreichung eines den Tod herbeiführenden Präparates (z.B. Tablette, Spritze, Infusion). Sie ist in Deutschland gesetzlich verboten und wird strafrechtlich verfolgt und zwar auch dann, wenn sie mit ausdrücklicher Zustimmung des Patienten oder der Patientin erfolgt. Sie ist mit dem christlichen Verständnis vom Menschen nicht vereinbar.
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