Rechtfertigung

Eine Hand streckt sich zum Himmel

Allein aus dem Glauben wird der Mensch vor Gott gerecht.

Die Rechtfertigungslehre geht davon aus, dass Menschen de facto nie dem Anspruch gerecht werden, den Gott an sie stellt. Die Reformatoren sagten, dass man diesem Anspruch nicht durch gute Taten gerecht werden könne, sondern dass man auf Gottes Gnade vertrauen müsse und ganz auf sie angewiesen sei.

Die Rechtfertigungslehre lässt sich am besten mithilfe der „Exklusivpartikel“ zusammenfassen. Das sind Sätze, die Luther in seinen Schriften immer wieder benutzt und die mit dem lateinischen Wort solus bzw. sola, „allein“, beginnen.

Sola gratia: Allein durch Gnade. Dass Menschen an Gott glauben und Anteil bekommen an seinem Reich, ist ein Geschenk Gottes selbst. Er nimmt Menschen an „aus lauter väterlicher, göttlicher Güte und Barmherzigkeit ohn all mein Verdienst und Würdigkeit“, so schreibt es Luther in seinem Kleinen Katechismus.

Bei der Gnade ist jedes menschliche Mitwirken ausgeschlossen. Sie ist „extra nos“, sagt Luther, das ist lateinisch und heißt „außerhalb von uns“. Das hat zwei Bedeutungen: Die Gnade kommt von außen, der Mensch kann sie nicht erzeugen, er kann sie nur empfangen. Die Gnade bewirkt aber etwas bei den Menschen: Indem sie wissen, dass auch sie selbst bedingungslos von Gott angenommen sind, können sie sich selbst an andere verschenken, sozusagen aus sich „herausgehen“ und anderen Gottes Liebe weitergeben. Noch nicht einmal große Verfehlungen können die Wirkung der Gnade verhindern, sie ist immer größer als alles, womit Menschen sie verwirken könnten (Römer 5,20).

Sola fide: Allein durch Glauben. Damit der Glaube wirken kann, müssen Menschen sich sozusagen fallen lassen. Das heißt, sie müssen sich ganz Gott anvertrauen. Luther bezieht sich in diesem Aspekt auf das Alte Testament. Dort heißt es über Abraham, dass er gerecht wurde „allein durch Glauben“ (Röm 4,9). Selbst die Fähigkeit, sich fallen zu lassen, sei letztlich ein Geschenk der Gnade, betonen die Reformatoren.

Sola scriptura: Allein durch die Schrift. Das Evangelium allein offenbart Gottes Gerechtigkeit und hilft den Menschen zu glauben. Es brauche keine weitere Lehre der Kirche, sagten die Reformatoren. Für Luther sind die Texte der Bibel Texte, die das Leben von Menschen verändern können, denn in ihnen steht die Botschaft von Heilung, Rettung und Erlösung. Zu den Worten der Bibel gehören für Luther auch die Sakramente, also die Taufe und das Abendmahl. Sie sind für ihn visibile verbum, sichtbares Wort.

Solus christus: Allein durch Christus. Nur Christus konnte die Macht der Sünde und des Todes brechen. In Christus ist Gott zu den Menschen gekommen, um sie aus allen Zwängen zu befreien. Für Luther ist Christus deswegen der einzige Mittler zwischen Gott und den Menschen (1 Tim 2,5). Andere Mittler wie Heilige oder Priester brauchen Menschen nicht.

Weiterführende Inhalte und Links

  • Fragen

    Kann man dann einfach so viel sündigen, wie man will?

    Antwort: Luther sagt tatsächlich, dass man als Mensch nichts tun muss und auch nichts tun kann, um das Heil zu erlangen. Weder besonders viele Gebete, noch gute Taten oder etwas anderes helfen. Die Gnade Gottes ist ein Geschenk. Dennoch: Gute Taten erwachsen automatisch aus dem Glauben heraus. Im Zusammenhang damit steht eine andere Aussage Luthers, nämlich dass kein Mensch ganz ohne Sünde leben kann. Das heißt, er wird sich immer wieder von Gott entfernen und das machen, was ihm und anderen Menschen schadet. Deswegen sind Menschen immer wieder auf Gottes Gnade angewiesen. Glauben heißt, bereit zu sein, sich von Gott verändern zu lassen.

  • Diskussion

    Die Rechtfertigungslehre ist die zentrale Lehre der Reformation. Sie stand lange wie ein Keil zwischen der evangelischen und der katholischen Kirche. In den 1990er Jahren begannen die beiden Kirchen einen Dialog über die Rechtfertigungslehre und erkannten: Vieles, was Luther gegen die katholische Kirche gesagt hatte, war den Umständen seiner Zeit geschuldet. Ablasshandel gibt es schon lange nicht mehr in der katholischen Kirche. Kirchenvertreter beider Seiten konnten sich auf eine Kernaussage der Rechtfertigungslehre einigen: Es ist die Gnade Gottes, die den Menschen gerecht macht.

    Der Lutherische Weltbund, der Päpstliche Rat zur Förderung der Einheit und der Weltrat methodistischer Kirchen unterzeichneten 1997 die „Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre“. Darin hielten sie fest: „Wir bekennen gemeinsam, dass der Mensch im Blick auf sein Heil völlig auf die rettende Gnade Gottes angewiesen ist. Die Freiheit, die er gegenüber den Menschen und den Dingen der Welt besitzt, ist keine Freiheit auf sein Heil hin. Das heißt, als Sünder steht er unter dem Gericht Gottes und ist unfähig, sich von sich aus Gott um Rettung zuzuwenden. Rechtfertigung geschieht allein aus Gnade.“

  • Links
  • Cover Rechtfertigung und Freiheit

    Der Grundlagentext Rechtfertigung und Freiheit. 500 Jahre Reformation 2017 ist Frucht der innerprotestantischen Verständigung und ein weiterer Beitrag zu ihrer Vertiefung. Der Text erläutert wesentliche theologische Einsichten der Reformationszeit im aktuellen Kontext.

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  • Titelabbildung EKD-Grundlagentext 'Für uns gestorben': Lovis Corinth (1858–1925), Ecce homo (1925)
    Publikation
    Für uns gestorben

    Die Bedeutung von Leiden und Sterben Jesu Christi. Ein Grundlagentext des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), erschienen 2015 im Gütersloher Verlagshaus. Die Publikation können Sie hier online lesen.

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