Der Bevollmächtigte des Rates - Büro Brüssel Europa -Informationen Nr. 156

Die EU vertieft ihre militärische Zusammenarbeit

Julia Maria Eichler

25 EU-Mitgliedstaaten haben bei dem Treffen des Rates für Auswärtige Angelegenheiten am 11. Dezember 2017 formell eine ständige strukturierte Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich (PESCO – permanent structured cooperation) geeinigt. Die PESCO sieht vor, dass sich Mitgliedstaaten verpflichtend auf gemeinsame Militärprojekte einigen und gemeinsam umsetzen.

Die Mitgliedstaaten haben sich bereits auf 17 Projekte geeinigt, die im Rahmen der ständigen strukturierten Zusammenarbeit umgesetzt werden sollen. Nachdem sich am 13. November 2017 bereits 23 Mitgliedstaaten in einer Absichtserklärung zur PESCO bekannten, müssen nun Anfang 2018 die 17 Projekte noch offiziell vom Rat gebilligt werden.

Als erstes Projekt soll nun bis Ende 2018 einem Bericht des Brüsseler Nachrichtenmagazins euobserver zu Folge ein Europäisches medizinisches Kommando mit Hauptsitz in Brüssel errichtet werden. Das medizinische Kommando soll Missionen und Operationen im Auslandseinsatz, u.a. mit einer multinationale medizinische Einsatzgruppe, die für grundlegende Erstversorgung schnell einsatzfähig sein soll, und Evakuierungseinrichtungen unterstützt werden. Die Bereitstellung und Koordinierung medizinischer Fähigkeiten soll verbessert und medizinische Standards harmonisiert werden. Deutschland übernimmt die Führung, die Niederlande, Spanien, Italien, Rumänien, Schweden und die Slowakei beteiligen sich. Bis Mitte 2018 sollen zudem Ausführungsstudien zu zwei weiteren Projekten  durchgeführt werden - dem System zur strategischen Führung und Kontrolle, durch das etwa die Planung, Durchführung und Koordinierung von EU-Missionen und -Operationen strategisch verbessert werden sollen, und eine Krisenreaktionsinitiative, durch die die Reaktionszeit, Planungen und Einsatzfähigkeit bei Krisen verkürzt werden sollen.

Die Möglichkeit der vertieften Zusammenarbeit in Bezug auf militärische Fähigkeiten ist mit dem Vertrag von Lissabon neueingeführt worden (vgl. Art. 42 Abs. 6, Art. 46 Vertrag über die Europäische Union, Protokoll Nr. 10). Zuvor war eine vertiefte Integration in Bezug auf militärische Fähigkeiten durch eine „Koalition der Willigen“ nicht möglich.

Von Deutschland und Frankreich ins Spiel gebracht, verknüpft die PESCO zwei Hauptanliegen der EU-Mitgliedstaaten: Einerseits wollen die Mitgliedstaaten durch die vertiefte Integration im Verteidigungsbereich ihrem Bedürfnis und dem ihrer Bürger nach mehr Sicherheit in Zeit von Terroranschlägen und einer unsicheren, europäischen Nachbarschaft begegnen. Zum anderen ermöglicht dieser Integrationsschritt vor allem nach der Brexit-Entscheidung, in Einigkeit voranzugehen und Handlungsbereitschaft zu demonstrieren.

Trotzdem war die Skepsis vor allem bei kleineren Mitgliedstaaten groß. Sie befürchteten, in einer Koalition der großen Mitgliedstaaten abgehängt zu werden. Vor allem Deutschland setzte sich daher für eine inklusive Ausgestaltung der PECSO ein. So kam es, dass sich lediglich Malta, Dänemark und Großbritannien nicht zur verstärkten Zusammenarbeit bekannt haben.

Von den übrigen 25 Mitgliedstaaten wird nicht jeder an jedem Projekt teilnehmen. Sondern es wird sich für jedes Projekt gesondert, eine Gruppe an Mitgliedstaaten unter der Führung eines Landes zusammentun.

Deutschland wird die Verantwortung für vier Projekte übernehmen: das gemeinsame Logistik- und Unterstützungshub, das medizinische Kommandozentrum,  das Kompetenzzentrum für das Training künftiger EU-Missionen und die Krisenreaktionsinitiative. Die Niederlande wollen mit Beteiligung von 22 Mitgliedstaaten für eine verbesserte Mobilität für Truppen und Geräte in Europa sorgen. Litauen übernimmt die Verantwortung bei der „schnellen Eingreiftruppe gegen Cyberangriffe“. Daneben übernehmen ferner Frankreich, Italien, Belgien, Griechenland, Spanien und die Slowakei die Verantwortung für Projekte. 

Die Teilnahme an PESCO ist komplett freiwillig. Allerdings haben die Mitgliedstaaten verbindliche Bedingungen festgelegt, die erfüllt sein  müssen, um an den Projekten teilzunehmen. Hierzu gehört auch eine regelmäßige Erhöhung der Verteidigungsausgaben, um die beschlossenen Ziele zu erreichen, an der sich Kritik auch von kirchlicher Seite entzündet.

Was PESCO wirklich bringen wird, das wird sich wohl erst in ein paar Jahren zeigen. Die Projekte sind alle langfristig angelegt; der gemeinsamen Logistik- und Unterstützungshub etwa für 2024.

Die tiefere Integration im Verteidigungsbereich wird derzeit aber nicht nur durch die ständige Zusammenarbeit vorangetrieben.

Erstmals wurde für dieses Jahr auf europäische Ebene eine koordinierte jährliche Überprüfung der Verteidigungsausgaben (CARD) vereinbart. Durch diese soll auf EU-Ebene ein besserer Überblick über die Verteidigungsausgaben, nationale Investitionen im Verteidigungsbereich und die Forschung auf diesem Gebiet entstehen. So soll einerseits mehr Transparenz erzeugt werden und eine bessere politische Wahrnehmbarkeit. Andererseits sollen so Mängel klarer aufgezeigt und diese durch eine vertiefte Verteidigungszusammenarbeit sowie einen besseren und kohärenteren Ansatz bei der Planung der Verteidigungsausgaben behoben werden.

Zudem wurde im Juni 2017 die Einrichtung eines sogenannten militärischen Planungs- und Durchführungsstabs (MPCC) beschlossen, der für die Planung und Durchführung militärischer Missionen ohne Exekutivbefugnisse zuständig sein wird. Für die zivilen EU-Einsätze besteht bereits ein Planungs- und Durchführungsstab (CPCC). Beide sollen über eine gemeinsame Koordinierungszelle eng zusammenarbeiten.

Zuletzt möchte die Kommission konkrete Anreize für mehr europäische Zusammenarbeit im Bereich der Entwicklung und Beschaffung von Verteidigungstechnologien und –ausrüstung durch den Europäischen Verteidigungsfonds erreichen (Siehe EKD Europa-Informationen Nr. 155). 

Der erste konkrete Vorschlag für einen Europäischen Verteidigungsfonds - das europäische Programm zur industriellen Entwicklung im Verteidigungsbereich - fand breite Unterstützung im Rat. In seiner Position vom 12. Dezember 2017 legt der Rat jedoch einen stärkeren Fokus auf Anreize für kleine und mittlere Unternehmen. Im Parlament wird derzeit noch über den Vorschlag verhandelt. Eine Entscheidung im zuständigen Industrieausschuss wird im Februar 2018 erwartet.

Der Friedensbeauftragte der EKD, Renke Brahms, kritisierte in einem Interview in der Dezemberausgabe von Publik-Forum (23/2017), dass die Gelder, die nun für eine vertiefte Verteidigungsintegration vor allem im Rüstungsbereich zur Verfügung gestellt werden, bei einem kleiner werdenden EU-Haushalt zu Lasten anderer Themen, wie der Armutsbekämpfung, Perspektiven für junge Menschen oder der Fluchtursachenbekämpfung fehlen werden. Bei den derzeitigen Entwicklungen müsste kritisch verfolgt werden, ob es eine Verlagerung der Friedensmacht Europa hin zu einem Militärbündnis gibt.

Die Pressemitteilung zum Beschluss des Rates finden Sie hier: http://www.ekd.eu/156-SuV-EUvMZ-Link

 

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