Der Bevollmächtigte des Rates - Büro Brüssel Europa -Informationen Nr. 156

Brexit: Durchbruch bei den Austrittsverhandlungen?

Ferdinand Auwärter

Am 7. Dezember 2017 konnte bei den Brexit-Verhandlungen zumindest dem ersten Eindruck nach eine grundlegende Einigung über das Austrittsabkommen erzielt werden, nachdem es bei den sechs Verhandlungsrunden zwischen Juni und Oktober keine Fortschritte gegeben hatte. Dem Durchbruch waren intensive Gespräche auf höchster Ebene zwischen der britischen Premierministerin May und dem Präsident der Europäischen Kommission Juncker vorausgegangen.

Bei den zentralen Themen: Rechte der EU-Bürger in Großbritannien und den Rechten der Briten in der EU, finanzielle Verbindlichkeiten Großbritanniens und der besonderen Situation Irlands wurden Kompromisse gefunden und in einem gemeinsamen Bericht am 8. Dezember 2017 vorgestellt. Darin erklärten beide Parteien, die Rechte der EU-Bürger bestmöglich schützen zu wollen und Großbritannien sagte zu, die Rechtsprechung des EuGH anzuerkennen. Die beiden Verhandlungsparteien konnten sich zwar noch nicht auf die endgültige Schlussrechnung Großbritanniens für die während der EU-Mitgliedschaft gemeinsam eingegangenen Finanzverpflichtungen einigen, aber die genauen Modalitäten der Berechnung wurden geklärt. Bezüglich der Grenze zwischen Irland und Nordirland wurde schriftlich festgelegt, dass es keine feste Grenze geben werde. Diese Zusage war die Bedingung Irlands und damit der EU-27, um dem Abkommen zuzustimmen.

Somit wurde die Forderung der EU erfüllt, in einer ersten Phase eine Einigung über die Bedingungen des Austritts zu erreichen, bevor über die zukünftigen Beziehungen verhandelt werden könne. Dagegen hätte es die britische Regierung bevorzugt, parallel Gespräche über das Austrittsabkommen und die zukünftigen Freihandelsbeziehungen zu führen. Premierministerin May hatte die EU in ihrer Rede in Florenz am 22. September 2017 dazu aufgefordert, für ein künftiges Handelsabkommen innovative Lösungen in Betracht zu ziehen.

Präsident Juncker sagte, mit der Einigung sei „ausreichender Fortschritt“ bei den Gesprächen erzielt worden und empfahl dem Europäischen Rat, bei dem Gipfeltreffen am 15. Dezember 2017 für die Eröffnung der zweiten Verhandlungsphase mit Großbritannien zu stimmen. Laut dem Verhandlungsführer der Kommission Michel Barnier sei das Austrittsabkommen „detailliert und präzise formuliert. Auch er empfahl die Aufnahme von Gesprächen über die zukünftigen Beziehungen. Dieser Position stimmten sowohl Ratspräsident Tusk, als auch der Berichterstatter für die Austrittsverhandlungen des Parlaments, Guy Verhofstadt (ALDE), zu. Allerdings gab es im Nachgang noch einige Irritationen über den Status der erzielten Einigung, die vermuten lassen, dass der Weg zum endgültigen Austritt der Briten holprig bleiben wird. So erklärte Brexit-Minister David Davis am 10. Dezember 2017 die Einigung sei „juristisch nicht bindend“ und „eher eine Absichtserklärung“. Zudem nahm das britische Parlament am 13. Dezember 2017, einen Änderungsantrag zum EU-Austrittsgesetz an, der besagt, dass das Parlament das endgültige Abkommen genehmigen muss. Trotzdem entschied der Europäische Rat am 15. Dezember 2017,Verhandlungen über die zukünftigen Beziehungen der EU mit Großbritannien aufzunehmen und beschloss Verhandlungsrichtlinien für die zweite Verhandlungsphase.

Bei den Austrittsverhandlungen mit dem Vereinigten Königreich arbeiten die EU-Institutionen eng zusammen. Das EU-Parlament muss dem endgültigen Abkommen zustimmen und ist daher intensiv in die Verhandlungen eingebunden. Die EU-Kommission wurde als Verhandlungsführerin eingesetzt und hat dazu eine Sonderkommission unter der Leitung des ehemaligen französischen Außenministers und EU-Kommissars Michel Barnier gebildet. Anhand der Vorgaben der anderen EU-Institutionen hat die Kommission als exekutives Organ der EU zwischen Juni und September 2017 detaillierte Positionspapiere ausgearbeitet (siehe EKD-Europa-Informationen Nr.154).

In ihren Reden im Lancaster Haus am 17. Januar 2017 und in Florenz hat die britische Premierministerin May die britischen Verhandlungsleitlinien vorgegeben. Da die Verträge der EU mit dem Tag des Austritts keine Wirkung mehr für Großbritannien hätten, müssen die Bedingungen der Herauslösung Großbritanniens aus der EU mit allen Rechten und Pflichten in einem Austrittsabkommen vereinbart werden. Die Staats- und Regierungschefs betonten in den Leitlinien für die Austrittsverhandlungen vom 29. April 2017, dass das Vereinigte Königreich bis zum Austritt ein vollwertiges Mitglied und Großbritannien auch nach dem Austritt aus der EU ein enger Verbündeter bleibe.

Das Ziel des Austrittsabkommens sei es laut der Leitlinien des Europäischen Rates für die Austrittsverhandlungen vom 29. April 2017, ein ausgewogenes Verhältnis von Rechten und Pflichten und faire Wettbewerbsbedingungen für alle zu erreichen. Dagegen solle „Rosinenpickerei“ unter allen Umständen vermieden werden. Das bedeute, dass die EU eine Beteiligung einzelner Wirtschaftssektoren am Binnenmarkt ausschließe. Die vier Grundfreiheiten seien unteilbar miteinander verknüpft. Unter diesen Voraussetzungen sei der Europäische Rat bereit, nach dem Brexit ein Freihandelsabkommen mit Großbritannien abzuschließen. Bei den Verhandlungen gelte, dass „nichts vereinbart (sei), solange nicht alles vereinbart ist“. Verschiedene Themen aus dem Abkommen könnten nicht einzeln geregelt werden. Die EU27 zeigten bei den Gesprächen bislang Einigkeit. Ratspräsident Tusk rief die Mitgliedstaaten auf, auch in der zweiten Phase der Verhandlungen geschlossen aufzutreten.

Die Einigung über die Garantie der Rechte für in Großbritannien lebende EU-Bürger, und für Briten, die in der EU leben, soll auch den zukünftigen Status von Bürgern, die ein Recht auf dauerhaften Aufenthalt in der EU und Großbritannien nach EU-Recht genießen, umfassen. Für den Europäischen Rat steht außer Frage, dass die in Großbritannien lebenden EU-Bürger ihre Rechte weiterhin vor dem EuGH durchsetzen können müssen. Für Verfahren, die zum Zeitpunkt des Austritts vor dem EuGH anhängig sind, forderte er Rechtssicherheit und Gleichbehandlung sicherzustellen. Auch müssten die entsprechenden Urteile von Großbritannien anerkannt werden. Zudem fordert er, auch die Streitbeilegung und Durchsetzung des Austrittsabkommens durch den EuGH zu gewährleisten.

Das Austrittsabkommen solle zudem eine Finanzregelung darüber enthalten, welchen Verpflichtungen Großbritannien nachkommen muss, die während der Mitgliedschaft entstanden sind. Unsicherheiten, die durch den Austritt Großbritanniens aus der EU für Unternehmen entstünden, sollten frühzeitig ausgeräumt werden. Es dürfe auf keinen Fall ein Rechtsvakuum entstehen.

Das Karfreitagsabkommen, das die Grundlage für den Frieden in Nordirland gelegt hat und letztlich durch die EU erreicht werden konnte, soll in allen Teilen aufrecht erhalten werden. Der Europäische Rat forderte alle Parteien auf, für die irische Insel „flexible und einfallsreiche Lösungen“ zu finden, mithilfe derer eine harte Grenze vermieden werden könne. Die EU erklärt sich dazu bereit, weiterhin die bilateralen Abkommen Irlands und Großbritanniens anzuerkennen.

Das Europäische Parlament erklärte in einem Entschluss am 5. April 2017, hinsichtlich der Gefahr eines ungeordneten Austritts Großbritanniens aus der EU die Möglichkeit einer Übergansphase offen halten zu wollen. Diese solle maximal drei Jahre bestehen. Während dieser Zeit blieben alle bestehenden Regeln der EU intakt.

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