Der Bevollmächtigte des Rates - Büro Brüssel Europa -Informationen Nr. 156

Sicherheit und Verteidigung: EU-Parlament will Waffenexporte schärfer kontrollieren

Valentin Wendebourg

Am 13. September 2017 hat das EU-Parlament beschlossen, die bisherigen Waffenexportenrichtlinien, wie sie erstmals für konventionelle Waffen durch den Rat der EU 1997 angenommen und 2008 im Gemeinsamen Standpunkt (2008/944/GASP) festgelegt worden waren, zu überarbeiten und hierzu eine Entschließung angenommen. Der Gemeinsame Standpunkt legt seit 2008 gemeinsame Regeln für die Ausfuhrkontrolle von Militärtechnologie und Militärgütern fest.

Ziel der Überarbeitung war es, die bisher geltenden Kriterien zu Waffenexporten aus der EU den politischen und technischen Entwicklungen seit 2008 anzupassen (z.B. Regelung des Exportes von Drohnen) und, u.a. angesichts der dramatischen geopolitischen Entwicklungen insbesondere im Nahen Osten, zu verschärfen.

Allein zwischen 2012 und 2016 hätten sich die Waffenlieferungen in den Nahen Osten aus der EU fast verdoppelt und seien in instabilen und krisenanfälligen Ländern u.a. zu Repressionen genutzt oder an terroristische Gruppen etwa in Syrien und im Irak gelangt. Insbesondere die fehlende Transparenz hinsichtlich des Verbleibs der exportierten Waffen sowie fehlende Sanktionierungsmöglichkeiten gegenüber EU-Staaten, die die bisherigen EU-Kriterien zum Waffenexport nicht berücksichtigen, machten deutlich, dass dringender Handlungsbedarf in der Überarbeitung des derzeitigen Gemeinsamen Standpunktes bestünde.

Dabei verweist die Entschließung explizit auf den Bericht der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE) über umstrittene deutsche Waffenausfuhren von 2016. Ausdrücklich erwähnt wird zudem das im Vertrag von Lissabon festgeschriebene vorrangige entwicklungspolitische Ziel der EU, die Armut weltweit zu bekämpfen. Dieses werde durch Waffenlieferungen in Konfliktregionen bedroht.

Das Ziel der Festlegung eines Gemeinsamen Standpunktes sei von Anfang gewesen, „zu verhindern, dass europäische Waffen gegen die Streitkräfte von Mitgliedstaaten zum Einsatz kommen, dass die Menschenrechte verletzt werden und dass sich bewaffnete Konflikte länger hinziehen“. Da eine „wettbewerbsfähige und innovative technologische und industrielle Basis“ der europäischen Verteidigung als Voraussetzung zur Sicherheit der EU erkannt wird, werden die Mitgliedstaaten aufgefordert, hinsichtlich der Verteidigungsausgaben effizienter zu kooperieren.

Aufgrund der ungenügenden Umsetzung der im „Gemeinsamen Standpunkt“ festgelegten acht Kriterien zum Waffenexport, fordert das Parlament den Europäischen Auswärtigen Dienst (EAD) auf, den Gemeinsamen Standpunkt und seine Kriterien „erheblich konsequenter umzusetzen“, um die Sicherheit von Zivilisten in Drittländern zu schützen und gleiche Wettbewerbsbedingungen für EU-Unternehmen im Rüstungsbereich zu schaffen. Nur so lasse sich die Glaubwürdigkeit der EU als ein wertebasierter globaler Akteur aufrechterhalten. Zudem wird gefordert, neue Beitrittsländer auf die Bestimmungen des Gemeinsamen Standpunktes zu verpflichten sowie weitere Drittstaaten zur Beibehaltung (u.a. nach dem Brexit auch das Vereinigte Königreich) oder zur Selbstverpflichtung zu bewegen. So solle das „Vorsorgeprinzip“ gelten, nach dem Mitgliedstaaten sowohl die mögliche militärtechnische Verwendung als auch die Analyse der politischen Gesamtsituation vorab in ihre Bewertung  mit einbeziehen müssen. Die Anwendung der Richtlinien des Gemeinsamen Standpunktes in den Mitgliedstaaten solle vereinheitlicht  und mit anderen Instrumenten der Außen- und Handelspolitik wie z.B. der Verordnung über Mineralien aus Konfliktgebieten abgestimmt werden. Insbesondere die Gefährdung für die Sicherheit der EU und für die Menschenrechte durch die Möglichkeiten der doppelten d.h. zivilen und militärischen Verwendung („dual use“) von Cyber- und Überwachungstechnik soll durch eine unmittelbare Aktualisierung der Ausfuhrbestimmungen begrenzt werden.

Das Parlament schlägt daher vor, eine Initiative zur Verhängung von Waffenembargos gegen Staaten ins Leben zu rufen, welche schwere Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht begehen. So soll beispielsweise das Kriterium der Achtung der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts in Ländern, in die Waffen geliefert werden,  um das Kriterium der „Indikatoren der demokratischen Staatsführung“ ergänzt werden. Aus diesem Grunde fordert das Parlament ein generelles Waffenembargo gegen Saudi-Arabien zu verhängen und bedauert, dass bisher keine gemeinsame Lagebewertung hinsichtlich der Situation in Syrien, dem Irak und im Jemen erfolgt sei. Unter Hinweis auf die gemeinsamen Richtlinien von 2002 („Gemeinsamen Aktion“ 2002/589/GASP) wird zudem gefordert, dass Mitgliedstaaten keine Handfeuerwaffen und leichte Waffen an nichtstaatliche Akteure liefern sollen. Ebenso sollen Kriterien zu Korruptionsbekämpfung bei Waffenlieferungen in die Richtlinien mit aufgenommen werden.

Um den Beschluss des Parlaments umzusetzen und eine schärfere Waffenexportkontrolle zu garantieren, soll das EU-Personal hierzu aufgestockt und ein eigenes Aufsichtsgremium für Waffenkontrolle unter der Schirmherrschaft der Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik eingerichtet werden.
Grundsätzlich fordert das EU-Parlament eine stärkere parlamentarische Kontrolle der Waffenexporte in den Mitgliedstaaten, wo dies bisher nicht oder nur eingeschränkt der Fall ist. Regelmäßige Konsultationen mit den Parlamenten, zuständigen Behörden, Industrieverbänden und der Zivilgesellschaft sollen wesentlich zur Transparenz der Waffenexporte beitragen.

Aus kirchlicher Sicht ist eine zunehmende Transparenz und zivilgesellschaftliche Kontrolle der Waffenexporte sehr zu begrüßen. Es bleibt daher zu hoffen, dass die Annahme der Entschließung des Parlaments dazu beiträgt, die bereits formal bestehenden Kriterien für Waffenexporte strikter bzw. überhaupt einzuhalten und durch eine schärfere Kontrolle der Endverwendung dafür Sorge zu tragen, dass europäische Waffen nicht zur weiteren Konflikteskalation beitragen.

Die Entschließung des Parlaments vom 13. September 2017 findet sich unter: http://www.ekd.eu/156-SuV-EPwWEsk-Link

 

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