Der Bevollmächtigte des Rates - Büro Brüssel Europa - Informationen Nr. 155

Bleibt die EU eine „soft power“? – Vorstellung des Friedensgutachtens 2017 in Brüssel

Valentin Wendebourg / OKR‘in Katrin Hatzinger

Am 11. Juli 2017 hat die Friedrich-Ebert-Stiftung gemeinsam mit der EKD-Vertretung  in Kooperation mit der Leibniz-Gemeinschaft das Friedensgutachten 2017 in den Räumen der EKD vorgestellt.

Die Leiterin des EKD-Büros, OKR‘in Katrin Hatzinger, eröffnete die Veranstaltung unter der Überschrift „The World in Disorder – Is the EU prepared enough?“. Sie verwies auf die neue Dynamik im Bereich der EU-Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Die Hohe Beauftragte der EU, Federica Mogherini, habe konstatiert, dass im letzten Jahr im Hinblick auf eine Sicherheits- und Verteidigungsunion politisch mehr passiert sei als in den vergangenen 60 Jahren. Zu verweisen sei hier insbesondere auf die Nachfolgemaßnahmen zur Globalen Strategie der EU. Angesichts des neuen europäischen Enthusiasmus für Zusammenarbeit im Bereich „Sicherheit und Verteidigung“ sei zu diskutieren, so Hatzinger, inwieweit dieses Momentum dem Frieden und der Rolle der EU als „soft power“ zuträglich sein könne.

Bruno Schoch, Hauptherausgeber des Friedensgutachtens und assoziierter Forscher der Hessischen Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung (HSFK), gab anschließend einen Überblick zu den Hintergründen des Gutachtens und erläuterte die aktuelle Schwerpunktsetzung.

Hier stehe die Neuausrichtung der US-Außenpolitik unter dem neugewählten US-Präsidenten sowie die damit einhergehende Notwendigkeit der wachsenden sicherheitspolitischen Eigenverantwortung der EU im Mittelpunkt.
Im Anschluß diskutierten auf dem Podium Matthias Dembinski, wissenschaftlicher Mitarbeiter am HSFK, Knut Fleckenstein, Parlamentarier im Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten, Alexander McLachlan, Berater der Abteilung für strategische Planung beim Europäischen Auswärtigen Dienst (EEAS) sowie Giovanni Grevi vom European Policy Center (epc) über die zukünftige Rolle der EU. Moderiert wurde die Diskussion von Uwe Optenhögel, Direktor des Europa-Büros der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) in Brüssel.

Einig war sich das Podium grundsätzlich, dass es keinen Rückzug der EU von ihrer Rolle als „Soft power“ geben werde. Alexander McLachlan sprach von einer Neuordnung der Instrumente „retooling“, die gerade stattfinde. Matthias Dembinski mahnte eine Konzentration auf strukturierte Friedensbildung und Prävention an. Hier sei die EU weiterhin viel besser aufgestellt als andere Akteure. Er würde sich aber eine verstärkte Evaluierung der EU-Friedensinstrumente wünschen.

Der Europaabgeordnete Knut Fleckenstein erinnerte daran, dass angesichts der unterschiedlichen Mentalitäten in der EU die Debatte um die gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik schwierig werde. So gebe es nicht nur zwischen den Fraktionen innerhalb des Parlaments unterschiedliche Ansätze, sondern auch innerhalb der Fraktionen zwischen den unterschiedlichen Nationalitäten. Es führe aber kein Weg daran vorbei, dass die EU hier aufholen müsse.

Angesprochen auf einen potentiellen Konflikt zwischen Stabilität und Demokratie als außenpolitische Ziele, erklärte Matthias Dembinski, dass er hier grundsätzlich kein Spannungsverhältnis sehe. Stabilität sei schließlich eine Vorbedingung für Demokratie. Die Frage sei, ob es Aufgabe der EU sei Demokratie in andere Staaten zu bringen oder die EU hier nicht vielmehr als Vorbild dienen müsse und gewisse Prozesse und Gruppen unterstützen könne.

Giovanni Grevi betonte, dass die Globale Strategie den „Soft Power“ - Ansatz in einen neuen Kontext setze. Obwohl die „Soft Power“ der EU durchweg als ein Erfolg anzusehen sei, könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Rolle der EU als ziviler Akteur künftig unter Druck geraten könnte. Herr McLachlan unterstrich, dass es bei der Debatte um eine stärker integrierte Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU nicht um „territoriale Verteidigung“ gehe. Die NATO-Allianz müsse vielmehr gestärkt werden. Die EU habe hingegen ihre Rolle darin, politische Einheit zu erreichen, dazu sei die NATO nicht in der Lage.

Die EU und die USA bewegten sich auseinander, das führe zu einer neuen Unsicherheit, so Matthias Dembinski. Es ginge jedoch nicht notwendigerweise um ein Mehr an Verteidigungsausgaben, sondern die EU müsse ihr Geld besser ausgeben. Als militärischer Akteur sei die EU ungeeignet, da ihr eine effiziente Entscheidungskompetenz fehle. Thematisiert wurde auch das Ziel der EU, „strategische Autonomie“ zu erreichen. Hier gehe es letztlich darum, im Bereich der Verteidigung in der Lage zu sein, autonome Entscheidungen zu treffen, so Grevi. Die EU als zivile Macht müsse sich einer Vielfalt an Mitteln bedienen können. Die Vorstellung einer EU, die ihre eigenen Militäroperationen führe, sei aber irreführend. Daneben müsse sie in der Lage sein, Interessen zu identifizieren und diese zu verfolgen. Für ihn sei der Begriff der „hard power“ allerdings nicht notwendigerweise mit einer Militärmacht gleichzusetzen. Auch die Durchsetzung von Wirtschaftssanktionen seien zum Beispiel eine Ausdruck von „hard power“.

Der Europaabgeordnete Fleckenstein ging auf den Aspekt der Kosten ein. Die Mitgliedstaaten seien gefragt, für die neuen Ausgaben, die mit der weiteren Integration einhergingen, zu zahlen. Der Diskussion um Verteidigungausgaben in Höhe von 2 Prozent des BIP erteilte er eine klar Absage.

Die hohe Anzahl an Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus den unterschiedlichen Organisationen, Stiftungen und EU-Institutionen brachte das Interesse an dem Thema der Veranstaltung und die Relevanz des friedenspolitischen Engagements der EKD zum Ausdruck.

Das Friedensgutachten lässt sich in Auszügen finden unter:
http://ekd.be/peace_report_2017

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