Der Bevollmächtigte des Rates - Büro Brüssel Europa - Informationen Nr. 155

Work-Life-Balance: Mehr für die Familie

Julia Maria Eichler

Am 26. April 2016 hat die Europäische Kommission zusammen mit der Europäischen Säule sozialer Rechte (nachstehender Artikel) eine Initiative zur Förderung von Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben vorgelegt. Die Initiative enthält u.a. einen Richtlinienvorschlag zur Work-Life-Balance von Eltern und pflegenden Angehörigen, der die bisherige Elternzeit-Richtlinie ersetzen soll. Hinzu kommen noch weitere nichtlegislative Maßnahmen, durch die etwa negative wirtschaftliche Arbeitsanreize für Zweitverdiener beseitigt werden sollen. Die Kommission möchte damit die Mindestvorgaben auf europäischer Ebene anheben.


Obwohl 65 Prozent der derzeitigen Hochschulabsolventen in Europa Frauen seien, läge die Quote der erwerbstätigen Frauen immer noch 11,6 Prozentpunkte unter derjenigen von Männern, so die EU-Kommission einleitend. Diese Unterschiede bei der Beschäftigungsquote seien zum großen Teil durch die ungleiche Verteilung von Pflegeaufgaben zwischen Frauen und Männern bedingt. So habe 2015 die durchschnittliche Beschäftigungsquote für Frauen mit einem Kind unter 6 Jahren um 8,8 Prozentpunkte unter der für Frauen ohne Kleinkinder gelegen. Die Möglichkeiten für Männer, gleichberechtigt mit Frauen familiäre Verantwortung zu übernehmen, seien eingeschränkt. Nach wie vor bestehe ein geschlechtsspezifisches Beschäftigungsgefälle, ein geschlechtsspezifisches Lohn- und Rentengefälle und ein erhöhtes Risiko von Armut und sozialer Ausgrenzung, insbesondere bei Frauen im Rentenalter.


Wesentliche Aspekte der Initiative sind:
Zunächst sollen Väter einen Anspruch auf zehn Tage Vaterschaftsurlaub anlässlich der Geburt ihres Kindes erhalten. Der mindestens viermonatige Elternzeit-Anspruch pro Elternteil soll zudem auf mindestens bis zur Vollendung des zwölften Lebensjahres des Kindes ausgeweitet werden. Mindestens vier Monate Elternurlaub dürfen dabei zukünftig nicht übertragbar ausgestaltet werden. Hierdurch soll der Anteil von Vätern, die die Möglichkeit von Elternurlaub wahrnehmen, erhöht werden. Zudem soll Elternurlaub zukünftig auch auf Teilzeitbasis, in Blöcken oder anderen Formen genommen werden können.


Neu eingeführt wird ein mindestens fünftägiger Pflegeurlaub pro Jahr. Dieser kann in Anspruch genommen werden, wenn ein Arbeitnehmer für einen nahen Angehörigen (z.B. Kinder und Eltern) persönliche Pflege oder Unterstützung aufgrund einer ernsthaften Erkrankung oder Abhängigkeit erbringt.


Zudem sollen die  Mitgliedstaaten sicherstellen, dass Arbeitnehmer, die Vaterschafts-, Eltern- oder Pflegeurlaub in Anspruch nehmen, eine Vergütung oder eine angemessene Sozialhilfe erhalten, die mindestens dem nationalen Krankengeld entspricht.


Insgesamt ist der zweigleisige Ansatz, der einerseits auf der Wiedereingliederung vor allem von Frauen in den Arbeitsmark basiert und andererseits eine leichtere Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für pflegende Männer und Frauen sowie eine ausgewogenere Inanspruchnahme von Urlaubs- und flexiblen Arbeitsregelungen anstrebt, zu begrüßen.


Deutliche Kritik kam von der Arbeitgeberseite. Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) kritisierte u.a. die Einführung eines Rechtes auf eine bezahlte Elternzeit. Der Vorschlag lasse außer Acht, dass „gerade zu umfangreiche Urlaubs- und Betreuungsregelungen zu Wiedereinstiegsbarrieren nach Mutterschafts-, Eltern-, oder Pflegezeit werden können und damit Unterschiede in den Erwerbsbiografien von Frauen und Männern manifestieren“, so die BDA. Die vorgeschlagene verpflichtende Freistellung von Vätern und das Recht auf flexible Arbeitszeitregelungen (z.B. Teilzeit) würden in den Bereich der Unternehmerfreiheit eingreifen und seien deshalb abzulehnen.


Beim informellen Treffen des  Ministerrats für Beschäftigung, Sozialpolitik und Gesundheit vom
19./20. Juli 2017 war die Work-Life-Balance von Familien einer der Diskussionsschwerpunkte. Im zuständigen Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten des Europäischen Parlaments ist bisher noch kein Berichterstatter bestimmt worden.


Den Richtlinienvorschlag finden Sie hier: http://ekd.be/richtlinie_zur_vereinbarkeit_von_beruf_und_privatleben

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