Der Bevollmächtigte des Rates - Büro Brüssel Europa - Informationen Nr. 155

Evangelische Stellungnahme zur Halbzeitbilanz von „Erasmus+“

Doris Klingenhagen

Das Europäische Programm „Erasmus“ feiert 2017 seinen 30. Geburtstag und ist eines der erfolgreichsten und bekanntesten EU-Förderprogramme. Ursprünglich als Programm für den Austausch von Studierenden konzipiert, umfasst es unter dem Namen „Erasmus+“ mittlerweile Bildungsmöglichkeiten für alle Altersgruppen. Zur Hälfte der Laufzeit wird dieses Programm derzeit von der EU-Kommission evaluiert. Auf der Grundlage dieser Evaluation wird die EU-Kommission das Programm weiterentwickeln und einen Vorschlag für die neue Programmgeneration ab 2021 vorbereiten. Der Bericht zur Zwischenevaluation soll Ende 2017 von der EU-Kommission veröffentlicht werden. Die EKD-Vertretung Brüssel und die aej haben sich mit einer gemeinsamen Stellungnahme an der öffentlichen Konsultation beteiligt. Darin bestätigen sie die große Bedeutung des Programms „Erasmus+“ (2014-2020) für die Vermittlung von Lernerfahrungen durch grenzüberschreitende Projekte in allen Bildungsbereichen und begrüßen ausdrücklich die Investitionsbereitschaft der EU, die sich in der deutlichen Budgetsteigerung des Programms im Vergleich zur vorherigen Förderperiode ausdrückt.


Gerade angesichts der politischen Entwicklungen in den letzten Jahren ist mehr denn je deutlich geworden, dass „Erasmus+“ in Europa neben der Erhöhung der fachlichen Qualifizierung von Menschen auch durch die Förderung von europäischer Bürgerschaft, demokratischen Bewusstseins, von Pluralität, Vielfalt und Engagement einen unverzichtbaren Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenhalt und zur Weiterentwicklung des europäischen Projektes leistet. Besonders notwendig sei ein eigenes Kapitel Jugend (JUGEND IN AKTION) innerhalb von „Erasmus+“, betont die Stellungnahme. Die Erfahrungen hätten gezeigt, dass diese Unterprogramm Voraussetzung dafür ist, den Bedürfnissen von jungen Menschen, von Fachkräften der Jugendarbeit und den besonderen Bedingungen von Trägern, Organisationen, Initiativen und Einrichtungen im Jugendbereich Rechnung zu tragen. Es sei daher zu begrüßen, dass das Programm „Erasmus+“ einen sehr breiten Bildungsbegriff zugrunde lege. Damit erlaube es eine große Vielfalt von unterschiedlichen Themen gemeinsam mit europäischen Partnern zu bearbeiten. Für alle Bildungsbereiche sei die weitgehend dezentrale Umsetzung des Programms durch nationale Agenturen in den Programmländern unverzichtbare Voraussetzung für eine erfolgreiche Programmumsetzung. Für die Zukunft müsse sichergestellt werden, dass „Erasmus+“ angesichts der vielfältigen Aufgaben und Herausforderungen weiterhin ausreichend finanziell ausgestattet bleibe. Bei der Vorbereitung der nächsten Förderperiode sei zudem darauf zu achten, dass Vertreter und Vertreterinnen der Zielgruppen und der Zivilgesellschaft in die Ausarbeitung, Umsetzung und Evaluierung einbezogen würden.


Im Einzelnen fordert die Stellungnahme, die Sichtbarkeit der einzelnen Programmteile zu erhöhen und europaweit etablierte Markennamen wie z.B. wie GRUNDTVIG, LEONARDO und JUGEND IN AKTION zu sichern bzw. wieder zu verwenden. Daneben geht es darum, dem non-formalen Bildungsbereich einen angemessenen Stellenwert zu sichern. In finanzieller Hinsicht sollten insbesondere die Programmteile JUGEND IN AKTION (Jugend), COMENIUS (Schulbildung) und GRUNDTVIG (Erwachsenenbildung) eine bessere finanzielle Ausstattung bekommen. Mit 10 Prozent der zur Verfügung stehenden Mittel erreicht der Jugendprogrammteil derzeit 25 Prozent aller Personen die im Programm in Mobilitätsmaßnahmen involviert sind. Zudem sind die Ablehnungsquoten z.T. unter 50 Prozent gesunken. Ebenso sollten Nachbesserungen an den Pauschalen erfolgen, um eine hinreichende Finanzierung von einzelnen Projekten zu ermöglichen. Weitere Forderungen betreffen die Zielgruppen, Formate und die Nutzerfreundlichkeit. So sollte der Trend hin zu einem Programm für größere Organisationen gestoppt werden und niedrigschwellige Zugänge mit entsprechenden Formaten wie Jugendinitiativen und GRUNDTVIG-Workshops wieder eingeführt werden, damit die Teilnahme für kleinere Organisationen wieder besser möglich ist. Insgesamt sollte der 300 Seiten starke Programmleitfaden deutlich nutzerfreundlicher aufbereitetet werden und die von der Kommission zu Beginn der Einführung des Programms versprochenen Vereinfachungen sich in Antragstellung und Verwendungsnachweisführung niederschlagen. Auch die gemeinsame Veröffentlichung von Programmleitfaden und Antragsformularen ist hier eine wichtige Forderung. Weiterhin seien bessere Möglichkeiten der sprachlichen Vorbereitung für alle zu schaffen, die nicht nur Langzeitmaßnahmen umfassen und sich nicht nur auf Online-Tools beschränken sollten. Auszubauen wäre auch die Unterstützung von Menschen mit Behinderungen und von Jugendlichen mit sozialen Benachteiligungen. Ferner betreffen die Forderungen die Informationen, die durch die Nationalagenturen bereit gestellt werden. Diese müssten besser dafür sorgen, dass die gleichen Formate und Informationen europaweit zur Verfügung stehen. Nachbesserungsbedarf besteht darüber hinaus bei der Teilnahme von Nicht-EU-Ländern. Hierüber müsste mehr Klarheit geschaffen werden. Insgesamt drei Forderungen beziehen sich spezifisch auf den Jugendbereich. Die Besonderheit von drei Antragsfristen in JUGEND IN AKTION dürfe nicht dazu führen, dass dadurch ein Zugriff anderer Bereiche auf das Jugendbudget mit eigener Haushaltslinie erfolge. Darüber hinaus sollte der Europäische Freiwilligendienst gestärkt werden. Die Wiederherstellung früherer Standards wie die der geregelten Entsendepauschale oder die gemeinsame Unterzeichnung von  Freiwilligen, Entsende- und Aufnahmeorganisationen wird hier gefordert. Darüber hinaus sollte dem besonderen Format des Strukturierten Dialogs mehr Spielräume ermöglicht werden.


Die Stellungnahme finden Sie unter: http://ekd.be/stellungnahme_konsulation_zu_erasmus_plus

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