Der Bevollmächtigte des Rates - Büro Brüssel Europa - Informationen Nr. 155

Jugend, Bildung und Kultur: EU fragt nach Wertevermittlung

Doris Klingenhagen

Am 19. Mai 2017 hat die Europäische Kommission eine europaweite Konsultation mit der Fragestellung veröffentlicht: „Was können nicht-formale und formale Bildung zur Förderung sozialer Inklusion und gemeinsamer Werte von jungen Menschen beitragen?“


Auf der Grundlage der Konsultationsergebnisse wird die EU-Kommission eine „Empfehlung des Rates zur Förderung sozialer Inklusion und gemeinsamer Werte durch formales und nicht formales Lernen“ vorbereiten. Das EKD-Büro Brüssel und die Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend in Deutschland e.V. haben sich an dieser Konsultation mit einer Stellungnahme beteiligt und folgende Aspekte besonders hervorgehoben: In den letzten Jahren wurde auf der europäischen Ebene ein sehr starker Fokus auf die Bedeutung von Bildung für Beschäftigungsfähigkeit junger Menschen gelegt. Die Terroranschläge in europäischen Mitgliedstaaten, die Radikalisierung von jungen Menschen und die wachsende Polarisierung gegenüber dem Islam sowie die Zunahme von Fremdenfeindlichkeit und Ausgrenzung weisen darauf hin, dass vermehrte Anstrengungen bei der Vermittlung gemeinsamer Werte und der Stärkung der sozialen Inklusion notwendig sind. Hierzu trägt die Evangelische Kirche Deutschlands (EKD) bei, indem sie nicht nur auf die Vermittlung von Wissen, sondern auf die Orientierung in einer unübersichtlich gewordenen Welt abzielt und den Inhalten Religion und Glaube, Erziehung zum Frieden, Achtung der freiheitlichen Rechtsordnung, Förderung der sozialen Gerechtigkeit wie auch Fürsorge für das versehrbare Leben und Verständigung mit Menschen anderer Kulturen und Religionen hohe Priorität zumisst. Sie ist überzeugt, dass der konfessionelle Religionsunterricht einen entscheidenden Beitrag dazu leisten kann.


Die Haltung der aej als evangelischer Jugendverband beruht auf den Grundprinzipien von Freiwilligkeit der Teilnahme, Selbstbestimmtheit und Selbstorganisation von jungen Menschen. Für sie ist Bildung ein Prozess der selbstbestimmten Emanzipation, der auf die Entfaltung von Urteils-, Analyse- und Kritikfähigkeit abzielt und demgemäß Angebote mit hohem Partizipationscharakter macht. Damit sind Kirchen und Jugendverbände wichtige Partner und Akteure für gesellschaftliche Wertebildung und soziale Inklusion. Auch wenn die  Europäische Union im Bereich von Bildung, Jugend und Soziales keine gesetzlichen Kompetenzen hat, kann die EU über die offene Methode der Koordinierung dazu beitragen, das Erfahrungen und gute Praxis von einzelnen Mitgliedstaaten Eingang in das Handeln anderer Mitgliedstaaten finden kann.


Große Herausforderungen sehen das EKD-Büro Brüssel und die aej allgemein in der Integration von Menschen mit Behinderungen. Das umfassende Verständnis von Inklusion wie es die UN-Konvention beschreibt, betreffe auch die Herausforderungen (junge) Menschen mit Zuwanderungsgeschichte, und aktuell besonders (junge) Menschen mit Fluchthintergrund Teilhabechancen zu ermöglichen und sie in die Gesellschaft zu integrieren. Dies gelte auch für (junge) Menschen aus Armutsverhältnissen und denen, die mehrfachen Benachteiligungen unterliegen, heißt es in der Stellungnahme. Eine der größten Herausforderungen für das Zusammenleben in den europäischen Gesellschaften wird zudem im Umgang mit der zunehmenden Heterogenität in der Gesellschaft gesehen und im Anwachsen von populistischem und rechtsextremem Gedankengut, die demokratische Werte und menschliche Grundrechte in Frage stellen. Um die gemeinsame Wertebildung und die soziale Inklusion zu fördern, sollte die EU auf diesem Hintergrund die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention unterstützen und die Wertebildung in der frühkindlichen Bildung sowie in der Schulbildung stärker anregen, um junge Menschen frühzeitig zu Offenheit und Respekt gegenüber anderen Kulturen, Religionen und Lebensbedingungen zu erziehen, heißt es in dem Papier. Neben der Beschäftigung mit Werten seien politische Bildung und Demokratieerziehung wichtig, um jungen Menschen zu vermitteln, wie politische Entscheidungen getroffen und wie ihre Interessen vertreten werden. Das Jugendalter sei zudem eine prägende Lebensphase mit besonderen Herausforderungen. In diesem Lebensabschnitt gehe es wesentlich darum, allgemeinbildende, soziale und berufliche Handlungsfähigkeit zu entwickeln, Verantwortung für sich selbst zu übernehmen sowie eine persönliche Balance zwischen der eigenen Freiheit und der sozialen Zugehörigkeit zu finden. Die EU sollte dies berücksichtigen, indem sie die Zusammenarbeit im Jugendbereich auf der EU-Ebene mit einer Strategie nach 2018 deutlich stärkt und das Feld europäischer Jugendpolitik aufwertet. Ebenso sollten die für Kinder- und Jugendarbeit tätigen Organisationen und Jugendverbände sowie deren Strukturen stärker unterstützt werden. Mit den Kirchen und Religionsgemeinschaften als Orten einer besonderen Wertebildung sollte die EU weiterhin den Dialog fortsetzen, Religionsunterricht an staatlichen Schulen anregen, insbesondere auch von muslimischen Religionsgemeinschaften. Die Zusammenarbeit auf EU-Ebene zur Förderung der sozialen Inklusion und der gemeinsamen Werte könne die EU weiter durch finanzielle Förderungen im Rahmen von Programmen wie „Erasmus+“, „Rechte, Gleichstellung, Unionsbürgerschaft“, „Europa für Bürgerinnen und Bürger“ oder dem „Europäischen Sozialfonds“ unterstützen. Für den Bereich der allgemeinen und beruflichen Bildung ist das Programm „Erasmus+“ von besonderer Bedeutung. Dieses sollte in der nächsten Förderperiode mit bedarfsgerechten Finanzen ausgestattet werden. Die Zusammenarbeit zu sozialer Inklusion und Wertebildung benötige zudem begleitende bereichsübergreifende, kohärente Politiken mit entsprechenden Strategien wie z. B. die EU-Jugendstrategie oder „Education and Training 2020“. Eine Aufteilung des Jugendbereichs in zwei Programme, „Erasmus+“ und „Europäisches Solidaritätskorps“ halten wir aufgrund einer dadurch erschwerten kohärenten Entwicklung der Zusammenarbeit im Jugendbereich nicht für zukunftsweisend. Ziel aller Aktivitäten müsse es sein, dass in den Mitgliedstaaten Strukturen und Rahmenbedingungen herrschten, die es allen Menschen in der Europäischen Union erlaubten, auch in Zeiten von großen Umbrüchen und Unsicherheiten friedlich und respektvoll zusammen zu leben.


Die komplette Stellungnahme unter: http://ekd.be/empfehlung_des_rates_zur_foerderung_sozialer_inklusion

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