Der Bevollmächtigte des Rates - Büro Brüssel Europa - Informationen Nr. 155

Sicherheit und Verteidigung: Der Europäische Verteidigungsfonds wird Realität

Julia Maria Eichler

Am 07. Juni 2017 hat die Europäische Kommission einen Vorschlag für einen Europäischen Verteidigungsfonds (EVF) veröffentlicht. Dieser soll die Verteidigungsfähigkeit Europas stärken, indem nationale Investitionen in die Verteidigungsforschung u.a. zur Entwicklung von Prototypen und Beschaffung von Verteidigungsgütern koordiniert, ergänzt und verstärkt werden. So soll eine strukturelle Verlagerung hin zu einer engeren Verteidigungszusammenarbeit erreicht und der Anteil kooperativer Verteidigungsprojekte an den gesamten Verteidigungsausgaben deutlich erhöht werden.

Der EVF war gemeinsam mit anderen Maßnahmen bereits im November 2016 im Europäischen Verteidigungsaktionsplan angekündigt worden (siehe EKD Europa-Informationen Nr. 153).

Die Kommission geht davon aus, dass durch eine gebündelte Beschaffung bis zu 30 Prozent der jährlichen Verteidigungsausgaben eingespart, größere Erträge erzielt und Verteidigungstechnologie und Verteidigungsgüter entwickelt werden könnten,  die einzelne Mitgliedstaaten allein nicht entwickeln könnten.

Der EVF besteht aus zwei rechtlich getrennten Teilen: dem Forschungsfenster, das Mittel direkt aus dem EU-Haushalt für die Forschung zu innovativen Verteidigungsgütern und –technologien vergibt und dem Fähigkeitenfenster, dass im Rahmen der Kofinanzierung finanzielle Beiträge der Mitgliedstaaten für die Entwicklung und Beschaffung wichtiger Verteidigungsfähigkeiten bündelt.

Damit soll der EVF die gesamte Lieferkette für europäische Verteidigungsgüter und -technologien unterstützen und so Qualität und Effizienz steigern. Die Projektauswahl erfolgt nach von den Mitgliedstaaten gemeinsam vereinbart Prioritäten. Die Mitgliedstaaten werden auch Eigentümer und Betreiber der Vermögenswerte sein.
Bestimmte nationale Beiträge oder Garantien in beiden Fenstern werden zudem als „einmalige Maßnahmen“ im Sinne des Stabilitäts- und Wachstumspaktes betrachtet und würden somit nicht die strukturellen Konsolidierungsanstrengungen der Mitgliedstaaten belasten.

Die als erste Phase des Forschungsfensters angekündigte  vorbereitende Maßnahme hat bereits begonnen. Die Aufforderung zur Einreichung von Vorschlägen für Projekte wurde zeitgleich mit dem EVF-Vorschlag veröffentlicht. Der Fokus liegt u.a. auf einem Technologiedemonstrator für unbemannte Systeme im Marineumfeld. Die erste Finanzhilfevereinbarung soll bis Ende des Jahres 2017 erfolgen.
Damit wird erstmals die Förderung von Rüstungsforschung ins EU-Budget aufgenommen.
Die bereits im Aktionsplan angekündigten Rahmenbedingungen bleiben im Übrigen die gleichen: Die vorbereitende Phase soll bis 2019 ein Budget von 90 Millionen Euro umfassen und dann in der zweiten Phase zu einem umfangreichen europäischen Verteidigungsforschungsprogramm umgebaut werden. Der Vorschlag hierzu soll 2018 folgen. Das Programm soll bis zum 01. Januar 2021 operativ sein und schätzungsweise ein jährliches Budget von 500 Millionen Euro haben. Zu dem Programm ist eine breit angelegte Konsultation mit allen Interessenvertretern vorgesehen.

Für die erste Phase des Fähigkeitenfensters veröffentlichte die Kommission einen Gesetzesvorschlag für ein zweijähriges europäisches Programm zur industriellen Entwicklung im Verteidigungsbereich (PiEV). Zudem sei gerade in der Phase der Entwicklung die Industrie sehr hohen finanziellen und technischen Risiken ausgesetzt. Auch wenn die Mitgliedstaaten nach wie vor die Hauptbeiträge leisten werden, will die EU durch ihre Finanzmittel das Risiko in der frühen Phase des industriellen Entwicklungszyklus reduzieren. Herausfordernd dürfte dabei sein, dass kooperative Entwicklungs- und Beschaffungsprogramme eine gemeinsame Bewertung von Bedrohungen und Bedürfnissen voraussetzen. Zudem erfordern sie eine funktionierende Partnerschaft zwischen teilnehmenden Mitgliedstaaten und der Industrie und eine gewisse Synchronisierung der nationalen Verteidigungsplanung und Haushaltszyklen.

Das PiEV soll für den Zeitraum 2019-2020 Mittel in Höhe von 500 Millionen Euro beinhalten.  Die Mittel werden u.a. aus der Infrastrukturfazilität „Connecting Europe“ und dem europäischen Satellitennavigationsprogramm abgezogen. Maximal ist eine finanzielle Unterstützung von 20 Prozent des Gesamtbetrages der förderfähigen Kosten möglich, wenn es sich um einen Prototypen handelt. In anderen Fällen (z.B. Durchführungsstudien) kann die Unterstützung die Gesamtkosten der Maßnahme bis zur Gänze abdecken.

Die europäischen Gesetzgeber sollen sich bis Anfang 2018 auf dieses Programm einigen. Für die Zeit nach 2020 muss ein neues Programm ausgearbeitet werden. Dieses soll jährlich eine Milliarde Euro umfassen. Inklusive Hebelwirkung hofft die EU-Kommission so auf jährliche Investitionen von bis zu fünf Milliarden Euro.
Finanzierungsfähig sind Kooperationsprojekte, die zur Einhaltung der Sicherheits- und Verteidigungsinteressen der EU beitragen und sich innerhalb der vereinbarten Prioritäten befinden. Zudem müssen Projekte aus mindestens drei Unternehmen aus mindestens zwei Mitgliedstaaten bestehen. Die Leitung des Kooperationsprojektes kann durch einen Projektmanager erfolgen, der von den Mitgliedstaaten ausgewählt wird, die das Projekt kofinanzieren. Förderfähig sollen nur in der Union niedergelassene und unter der wirksamen Kontrolle der Mitgliedstaaten oder ihrer Staatsangehörigen stehende Rechtsträger sein. Sämtliche Infrastrukturen, Einrichtungen, Mittel und Ressourcen, die während des Projektes im Rahmen der finanzierten Maßnahme verwendet werden, dürfen sich während der gesamten Laufzeit der Maßnahme nicht auf dem Gebiet eines Nicht-Mitgliedstaates befinden. Zudem bedarf es eines Nachweises, dass sich die Mitgliedstaaten zur gemeinsamen Finanzierung der Weiterentwicklung einer förderfähigen Maßnahme verpflichtet haben und das Endprodukt oder die Technologie koordiniert beschaffen wollen. Die Beschaffung selber bleibt aber in der Hand der Mitgliedstaaten.

Der Verordnungsentwurf sieht vor, dass die finanzielle Unterstützung der Union nicht den Export von Gütern, Ausrüstung oder Technologien oder die Ausfuhrpolitik berührt und auch keine Auswirkungen auf das Ermessen der Mitgliedstaaten im Hinblick auf ihre Ausfuhrpolitik hat.

Zusätzlich möchte die Europäische Kommission den Beschaffungsprozess durch ein fertiges Instrumentarium und Fachwissen unterstützen, etwa im Hinblick auf die gerechte Teilung der Risiken und Kosten bei der Entwicklung von Fähigkeiten und standardisierten und vordefinierten Finanzinstrumenten.

Ein effizienterer und gezielterer Einsatz von Mitteln und eine verbesserte Kooperation unter den Mitgliedstaaten sind grundsätzlich zu begrüßen, vor allem, wenn es zur Einsparung von Kosten führt. Fraglich ist jedoch, warum hierfür der EU-Haushalt genutzt werden muss und die Finanzierung nicht durch koordinierte Mittel der Mitgliedstaaten erfolgen kann, insbesondere, wenn hierfür Ressourcen aus zivilen Projekten abgezogen werden. Auch ein Vergleich etwa mit dem Bereich der zivilen Konfliktprävention, dem durch das Instrument für Stabilität und Frieden 2,34 Milliarden für den Zeitraum 2014-2020 zur Verfügung steht, lässt Fragen nach der Verhältnismäßigkeit der Ausgaben für den Fonds aufkommen. Sollten die Briten als Nettozahler 2019 wirklich die EU verlassen, dürfte es im nächsten EU-Haushalt zu erheblichen Kürzungen kommen. Wenn die Kommission gleichzeitig die Verteidigungsindustrie im Milliardenbereich unterstützen möchte, wird an anderer Stelle deutlich gespart werden müssen.

Den Vorschlag für einen Europäischen Verteidigungsfonds finden Sie hier: http://ekd.be/communication_launching_the_european_defence_fund

Den Vorschlag für ein europäisches Programm zur industriellen Entwicklung im Verteidigungsbereich finden Sie hier: http://ekd.be/proposal_for_regulation_establishing_the_european_defence

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