Der Bevollmächtigte des Rates - Büro Brüssel Europa - Informationen Nr. 155

„Pfarrer“ – ein Film, der zur Diskussion anregt

Valentin Wendebourg

Fast zeitgleich zur ARD Themenwoche „Woran glaubst Du?“ haben am 26. Juni 2017 das Goetheinstitut Brüssel, die Landesvertretung Sachsen-Anhalt gemeinsam mit dem EKD-Büro Brüssel zu einer Präsentation mit anschließender Diskussion des Films „Pfarrer“ eingeladen.


Passend zum Reformationsjubiläum widmet sich der Film der Begleitung einer Gruppe von Vikarinnen und Vikaren im Predigerseminar Wittenberg, die ein Jahr lang von den Filmemachern Chris Wright und Stefan Kolbe begleitet worden waren.


Nach einer Begrüßung durch OKR‘in Katrin Hatzinger und die anderen Gastgeber wurde im Anschluss an den Film auf dem Podium unter der Moderation der Leiterin des Kulturprogramms des Goethe-Instituts Cristina Nord mit den Regisseuren und Vikar Valentin Wendebourg aus dem EKD Büro Brüssel diskutiert. Herr Wendebourg ist selbst am Predigerseminar Wittenberg 2015/16 ausgebildet worden.


Im Zentrum des Films stand die persönliche Auseinandersetzung von fünf Vikarinnen und Vikaren mit dem privaten wie kirchlichen Anspruch, den sie jeweils mit der Übernahme des Pfarrberufs verbinden. Wie Chris Wright betonte, sei dies ein wesentliches Motiv für die Wahl des nicht unumstrittenen Filmtitels „Pfarrer“ gewesen.


Nachdem sich das Kuratorium des Wittenberger Predigerseminars zu diesem Film-Experiment bereit erklärt hatte, sei es im Rückblick für beide Seiten eine positive Erfahrung gewesen, über ein Jahr lang einen begleitenden kritischen Außenblick auf das Leben und Arbeiten im Predigerseminar zu haben, so Kolbe. Eine Absicht des Films habe darin bestanden, den inneren Prozess der Protagonisten u.a. durch das Kontrastieren von lichtdurchfluteten Schlosskirchenfenstern und düsteren Seminarfluren äußerlich widerzuspiegeln.
Eine besondere Faszination auf die beiden ansonsten religiös distanzierten Filmemacher hat dabei das Hineinwachsen der Vikarinnen und Vikare in die Leitung der liturgischen Vollzüge ausgeübt. Eine besondere Aufmerksamkeit widmet der Film daher u.a. . ausführlichen Beobachtungen liturgischer Gesänge oder fast mystisch anmutende Abendmahlsfeiern.


Die bewusste Konzentration auf die existenziellen Krisenerfahrungen der fünf Protagonisten führte im Anschluss an den Film zu einem Austausch über die Wahrnehmung der Ausbildung des theologischen Nachwuchses im Wittenberger Predigerseminar. Gegenüber der existentiellen Schwere des Films betonte Wendebourg, dass die Zeit im Wittenberger Predigerseminar aus seiner Erfahrung für ihn und viele andere seiner Mitvikare wohl auch weitaus weniger existentiell dramatisch gewesen sei, als der Film dies suggeriere.


Aufgrund des eher ungewöhnlichen Blickwinkels wurde aus dem Publikum zudem gefragt, ob man hierbei tatsächlich von einem „Dokumentarfilm“ sprechen könne, als welcher er oft angekündigt werde. Demgegenüber betonten die Filmemacher, dass sie einer bestimmte Filmschule folgen würden, die ihrem künstlerischen Prinzip gemäß bewusst einen individuellen Blick und persönlichen Zugang zu dem gewählten Thema widerspiegele. Es gehe nicht um das Predigerseminar an sich, sondern die persönliche Entwicklung, die die fünf proträtierten Vikarinnen und Vikare durchlaufen hätten. Hierbei, so Wright, habe es ihn erstaunt, welche existentiellen Krisen die Phase des Predigerseminars in ihnen ausgelöst habe. Aber, so Wright, gerade die Krise und das Zweifeln gehörten ja insbesondere zum evangelischen Glauben dazu.


Die angeregten und lebhaften Diskussionen über diesen außergewöhnlichen Film beim Empfang im Anschluss machten deutlich, dass der Film in seiner Thematisierung der existentiellen Fragen einen interessanten Beitrag zum Ringen mit dem Erbe der Reformation geliefert hat – nicht nur für Pfarrer.

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