Nachhaltig durch das Kirchenjahr

Materialien für Andachten und Gottesdienste zu den Nachhaltigkeitszielen der Agenda 2030

Schöpfungszeit (1. September bis 4. Oktober) – Nachhaltigkeitsziel 13

Gottesdienst zum Thema: Klimaschutz / Hambacher Forst

Gottesdienstentwurf

Den Gottesdienst für Klimagerechtigkeit feierten ca. 45 Pilger und Pilgerinnen des Ökumenischen Klimapilgerweges am 12.9.2018 im Hambacher Wald, nahe dem Braunkohletagebau Hambach, gemeinsam mit einigen Waldbewohner*innen. Die Pilger/innen trafen sich in Morschenich und liefen zum Hambacher Wald. Dort feierten sie gemeinsam einen Gottesdienst, erhielten Informationen und einen Einblick in den Tagebau Hambach und führten ein Gespräch mit Waldbewohner/innen. Anschließend führte der Pilgerweg weiter über Ellen bis nach Jülich. 

Frühzeitig waren sowohl die Waldbewohner/innen als auch die Polizei über den Besuch und den Gottesdienst informiert worden. Die Polizei beobachtete von mehreren Punkten aus den Pilgerweg, hielt sich aber zurück. 

Zu Beginn des Weges wurden alle Pilger*innen aufgefordert, unterwegs einen Stein mitzunehmen. Zum Gottesdienst bildeten sie einen Kreis an einem Wegekreuz im Wald. In der Mitte waren einige Stöcke wie ein Zelt aufgebaut, darunter lag ein Tuch mit Kerzen darauf. Alle hatten das grüne Andachtsbuch „Geht doch!“ in der Hand, das mit Liedern, Psalmen, Bibeltexten und Gebeten für den Pilgerweg zusammengestellt worden war (3. Ökumenischer Pilgerweg für Klimagerechtigkeit (Hg.), Lieder, Gebete, Biblische Texte, 2018). Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf dieses Heft. 

Gottesdienst im Hambacher Wald: 

Geht doch! 
Wir stehen auf für Klimagerechtigkeit (S. 45 / 47)
Wir stehen still an diesem Ort vor Gott.
Denn wir wissen, dass die ganze Schöpfung 
bis zu diesem Augenblick
mit uns seufzt
und sich ängstet. (Röm 8,22)
Wir sind zusammen
im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Amen.

Wir sprechen im Wechsel Worte aus Psalm 104 
(S. 71 und 73).

Zeichenhandlung (S. 47)
Sie haben auf dem Weg einen Stein mitgenommen. Bitte legen Sie Ihren Stein in die Mitte und bringen Ihr Anliegen oder Ihre Klage vor Gott. Wenn Sie nichts sagen möchten, dann legen Sie nur den Stein in die Mitte. 
Gott, vor dich bringen wir unsere Klagen: …

Gebet
Gott,
du erhörst unsere Klagen.
Wir wissen: 
Du bist mit allen, die sich nach einer heilen Welt sehnen.
Du stärkst diejenigen, die hier im Wald auf den Bäumen leben und diese gegen die Rodung verteidigen.
Du gibst den Pilgern und Pilgerinnen täglich neue Kraft, um aufzustehen und weiter zu marschieren für den Schutz des Klimas.
Du gibst denen, die sich machtlos fühlen angesichts der wirtschaftlichen Interessen von großen Konzernen, den Mut, nicht aufzugeben und weiter den Mund aufzumachen.
Du bist auf der Seite derer, die sich einsetzen für Gerechtigkeit und Frieden und die Bewahrung der Schöpfung.
Gott, du bist ein Freund des Lebens.
Sei bei uns, Gott. Stärke uns im Einsatz für das Leben.
Amen.

Lied 
Da wohnt ein Sehnen tief in uns, o Gott (S. 188)

Ansprache
Wir stehen an diesem Schmerzpunkt: an diesem riesigen Loch im Erdboden, wo früher Dörfer standen.

In einem Wald, in dem junge Menschen jahrhundertealte Bäume schützen.

An einem Ort, an dem die Erde ausgebeutet und zerstört wird, um unseren Energiehunger zu stillen.

Hier wird die Zerstörung der Umwelt sichtbar, erlebbar.

Dieser Ort erinnert daran, dass dieses Land noch nicht in der Lage ist, sich für wirklichen Klimaschutz einzusetzen. Dieser Ort ist eine offene Wunde in unserem Land. Ein Stachel, der uns daran erinnert, dass etwas geändert werden muss.

Dafür müssen wir uns in Bewegung setzen!

Ein „Weiter so!“ geht nicht mehr. Sondern jetzt muss es heißen: „Geht doch!“

Geht doch – das ist das Motto unseres Pilgerweges für Klimagerechtigkeit. Wir müssen etwas ändern, uns ändern, aufstehen, losgehen. Dafür wollen, dafür müssen wir uns einsetzen.

Eine Pilgerin liest 1. Mose 9,12-15 (S. 87). 

Am Anfang war unsere Erde ein Paradies.

Gott, die Menschen und die Schöpfung lebten in Einheit und Eintracht. „Siehe, es war sehr gut!“, so heißt es im 1. Schöpfungsbericht, auf den ersten Seiten unserer Bibel.

Aber schon wenige Kapitel und wenige Seiten später ermordet Kain seinen Bruder Abel. Und wiederum wenige Kapitel später sieht Gott die Menschheit an und bemerkt, dass die Bosheit groß ist auf Erden und es reut ihn, dass er die Menschen gemacht hat (Gen 6,5-6).

Gott sieht keinen anderen Weg, als die Erde zu vernichten und neu anzufangen mit der Menschheit. Nur Noah und seine Familie und von jedem Tier ein Paar sollen überleben und sollen die Keimzelle bilden für neues Leben.

So schnell geht es! Wenige Kapitel in der Bibel – und Gott beschließt, von vorne anzufangen.

Und so schnell geht es auch heute mit der Zerstörung der Umwelt, gemessen am Alter der Erde: Nur wenige Generationen hat es gebraucht, um mit unserem Energiekonsum das Klima und damit das Gleichgewicht unseres Ökosystems massiv und bedrohlich zu verändern. 

Vor wenigen Tagen haben rund 700 französische Wissenschaftler in einem öffentlichen Appell dazu aufgerufen, sofortige Maßnahmen gegen den Klimawandel zu ergreifen. Sie schlagen Alarm. Denn der Klimawandel kommt nicht. Er ist da!

Und er ist in vollem Gange und immer stärker spürbar. 

Wir bewegen uns mit den derzeitigen Verpflichtungen der Staaten auf eine drei Grad wärmere Welt zu. Die Folgen sind immens und sie sind schon heute deutlich: Die Gletscher schmelzen in rasantem Tempo, der Meeresspiegel steigt, und Inseln wie Tuvalu drohen im Meer zu versinken. Wetterextreme wie Hitzeperioden, Trockenheit oder Starkregen nehmen zu, mit katastrophalen Folgen für Menschen, Tiere und Pflanzen. 

Damals, nach der Sintflut, fing Gott neu an mit der Menschheit und mit seiner ganzen Schöpfung. Er schloss mit Noah einen Bund, setzte als Zeichen den Bogen in die Wolken und sagte: „Und ich richte meinen Bund so mit euch auf, dass hinfort nicht mehr alles Fleisch ausgerottet werden soll durch die Wasser der Sintflut und hinfort keine Sintflut mehr kommen soll, die die Erde verderbe.“ (9,11)

„Es soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.“ (8,22)

Das ist Gottes Versprechen. Aber zu einem Bund gehören immer zwei. Auch wir sind Bundespartner. Auch wir sind gefordert, unseren Teil beizutragen, für Gerechtigkeit und Frieden einzustehen. Auch wir müssen dazu beitragen, die Schöpfung zu bewahren.

Was braucht es dafür? 1. Der Klimaschutz muss ein politisches Ziel ersten Ranges werden.

Wir stehen an diesem Ort, weil die Braunkohleverstromung eine maßgebliche Ursache dafür ist, dass Deutschland seine nationalen Klimaschutzpläne und internationalen Verpflichtungen nicht erfüllt. Deutschland ist leider trauriger Spitzenreiter bei Braunkohle, sowohl was die Produktion als auch den Verbrauch betrifft, mit einem globalen Anteil von 17,3 Prozent. Und trotz aller Klimaschutzbeteuerungen wird noch immer 42 Prozent des deutschen Stroms durch Kohleverbrennung erzeugt.

Der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Manfred Rekowski, sagte am vergangenen Sonntag anlässlich des Beginns des Pilgerweges für Klimagerechtigkeit:

„Wir setzen uns ein für das Erreichen des Klimaschutzzieles 2020. Wir widersprechen der Rodung des letzten Stückes des Hambacher Forstes, ohne dass ein klarer Plan zur Erreichung des Klimazieles 2020 beschrieben wird. Das ist eine Sackgasse!

Er muss doch gehen, der Ausstieg aus dem Verheizen fossiler Brennstoffe! Der Ausstieg muss doch gehen, denn unser Weltklima ist massiv bedroht. Der Kampf gegen die Erderwärmung ist ein politisches Ziel ersten Ranges.“

Klare Worte gegenüber Wirtschaft und Politik sind erforderlich. Denn um die Klimaschutzziele zu erfüllen und den Klimawandel aufzuhalten, sind eine andere Politik, ökologisches Wirtschaften und ein Ausstieg aus der Braunkohleverstromung in unserem Land unabdingbar. 

2. Wir brauchen eine öko-theologische Reform der Kirche

Ich halte es für sehr wichtig, dass das politische Ziel ersten Ranges auch ein primäres theologisches Ziel wird. Dafür ist es dringend erforderlich, dass wir in der Theologie und in der Liturgie den anthropozentrischen Blick überwinden.

Obwohl wir es schon lange theologisch besser wissen, überwiegt in der Sprache in Liturgie und Predigt noch immer der Blick auf den Menschen als Ziel und Zentrum der Schöpfung Gottes. Wir reden und handeln entsprechend dem Auftrag: „Machet euch die Erde untertan!“ (Gen 1,28), wie wir ihn in der deutschen Übersetzung des ersten Schöpfungsberichtes lesen.

Nötig ist aber, den Menschen wieder in den Kranz des Lebens einfügen, so wie es der zweite Schöpfungsbericht erzählt: Der Mensch ist geschaffen aus Erde, lebendig durch Gottes Atem, ist ein Teil des gesamten Schöpfungswerkes Gottes.

Ja: Nötig ist eine Relectura, ein neues Lesen der biblischen Texte. Nötig ist, dass wir uns auf Noah und seinen Bund beziehen, um als Bundespartner Gottes für die Bewahrung der Schöpfung einzustehen.

3. Wir brauchen eine „Politik mit dem Einkaufskorb“

Viele kleine Leute, die viele kleine Schritte tun, können das Gesicht der Welt verändern. Öko-fairer Einkauf und Klimaschutz dürfen nicht Themen von Randgruppen bleiben, sondern müssen zu gesamtgesellschaftlichen Anliegen werden. Wir brauchen in unserem Land einen Diskurs und ein Umdenken, um unser Verhalten zu ändern.  

Und ich will nicht verschweigen: Das ist anstrengend und bedeutet eine Veränderung unseres persönlichen Lebens. Wie auch unser Pilgerweg immer wieder ganz schön anstrengend ist. Aber es ist notwendig, denn es muss sich etwas ändern!

Deshalb müssen wir uns aufmachen: Produkte finden, die nicht in Plastik verpackt sind. Zum Markt gehen, um Produkte aus der Region zu kaufen. Nachfragen und hinschauen, um auf ökologische Landwirtschaft zu achten. Nötig ist eine veränderte und nachhaltige Mobilität. Nötig sind gut gedämmte Gebäude, die den Energieverbrauch reduzieren. Übrigens steht nur 35 km von hier entfernt, in Heinsberg, eine der ersten Passivhauskirchen. Und wenn man droht: Bei Abschalten des Kohlekraftwerkes Hambach würde jede siebte Glühbirne nicht mehr leuchten, dann rufen wir dazu auf: Ja, dann lasst uns diese ausschalten! Wir können etwas ändern, wenn wir nur wollen!

Das zeigt sich auch hier im Hambacher Wald: Die Menschen, die im Wald und auf den Bäumen leben, zeigen uns, dass man anders leben kann, dass es anders geht! 

Geht doch!

Wir lassen uns nicht entmutigen und nicht kleinreden. Sondern wir machen uns auf den Weg und treten ein für Klimaschutz. Wir lassen nicht locker und gehen weiter, kämpfen weiter und setzen uns ein. Für die Zukunft der Erde! Für unsere Kinder und Enkelkinder! Für die Menschen in den anderen Teilen der Erde! Und für die ganze Schöpfung! Und Gott zum Lob und zur Ehre!
Amen.

Lied 
Du bist heilig, du bringst Heil (S. 193)

Fürbitten 
Wir bringen vor dich unsere Bitten:
Verschiedene Pilger/innen tragen die Bitten vor.

1. Du, Gott allen Lebens,
die Klimaerwärmung,
die Verschmutzung und Zerstörung der Natur 
bedrohen das Leben auf der Erde.
Gott, 
hilf uns zu begreifen, 
dass die Natur nicht unsere Lebensgrundlage ist,
die wir benutzen, gebrauchen und verbrauchen können,
wie es uns beliebt.
Nein, sie ist Mitwelt.
Geschöpf wie wir.
Wunderbar gemacht.
Menschen, Tiere, Pflanzen,
Wasser, Luft, Erde – 
wir sind untrennbar miteinander verbunden.
Das vergessen wir viel zu oft.

2. Du, Gott allen Lebens,
wir können deshalb nicht begreifen, 
dass die Politik den Schutz der Natur nicht zum wichtigsten Ziel erklärt.
Die katastrophalen Folgen sind bekannt.
Warum wartet man ab, schiebt die Schuld auf andere,
gibt immer wieder anderen Zielen und Erfordernissen Priorität?
Wirtschaftliche und persönliche Interessen –
alles ist wichtiger als Umweltschutz. 
Wir bitten dich:
Hilf, dass die Kohlekommission der Bundesregierung dazu beiträgt, die Klimaziele in Deutschland zu erfüllen.
Gib den Politikern und Politikerinnen in unserem Land Einsicht, dass wir handeln müssen.
Nicht erst 2030 oder 2050, 
sondern heute. 
Jetzt!

3. Du, Gott allen Lebens,
wir alle wünschen uns ein Leben in Frieden,
für uns und unsere Nachkommen.
Deshalb können wir nicht begreifen, 
dass Firmen und Konzerne nur wirtschaftliche Interessen 
und Gewinnmaximierung im Blick haben. 
Sie wissen, dass sie Verantwortung tragen.
Sie wissen, dass es beim Naturschutz um nicht weniger geht als um die Zukunft des Lebens auf der Erde. 
Wir bitten dich:
gib den Verantwortlichen in der Wirtschaft Einsicht, 
dass wir konsequent und mit einem anderen Bewusstsein forschen, wirtschaften, handeln und leben müssen.

4. Du, Gott allen Lebens,
wir stehen hier am Tagebau Hambach,
dem größten von der RWE betriebenen Braunkohletagebau.
Vor uns ein riesiges Feld der Zerstörung.
Wüste.
Seit 40 Jahren wird der 12.000-jährige Wald abgeholzt. 
In den nächsten drei Jahren soll der komplette Restwald verschwinden.
Bereits vier Ortschaften wurden für den Braunkohlebergbau umgesiedelt.
Im Jahr 2024 wird es auch die Orte Manheim und Morschenich nicht mehr geben.
Hier in NRW befinden sich die fünf dreckigsten Kohlekraftwerke Deutschlands. Sie produzieren riesige Mengen an CO2 und an Feinstaub.
Wir müssen umdenken, Gott.
So kann es nicht weitergehen!

5. Du, Gott allen Lebens,
im Dezember tagt in Katowice die UN-Klimakonferenz.
Wir bitten dich:
Gib den Verantwortlichen die Einsicht,
dass die Abkommen von Paris umgesetzt werden müssen,
so schnell und so weitgehend wie möglich.
Das, was die reichen Länder verursachen, 
trifft vor allem die Ärmsten der Armen:
Inseln versinken im Meer,
Dürreperioden verursachen Hunger,
und wenn Seen austrocknen, wie der Aralsee in Asien, einst der viertgrößte Binnensee der Erde,
dann entzieht dies vielen Menschen die Lebensgrundlage.
Wir wissen:
Wir können die Klimaerwärmung nicht mehr stoppen,
aber wenigstens begrenzen.
Und das ist notwendig!

6. Du, Gott allen Lebens,
viele Menschen, ja: auch wir, sind nicht bereit, anders zu leben. 
Wir denken immer noch, wir Menschen seien das Zentrum deiner Schöpfung,
wir denken immer noch, wir sollen herrschen über Tiere und Pflanzen und sie uns untertan machen.
Wir sind nicht bereit, auf unseren persönlichen Vorteil zu verzichten, um die Mitwelt und das Klima zu schützen.
Wir bitten dich: 
Hilf uns zu begreifen, dass wir Teil deiner Schöpfung sind. Eingebettet und verbunden mit allem, was lebt.
Hilf uns, anders zu leben. 
Einfacher. 
Langsamer.
Hilf uns, den Energiewandel mit voranzutreiben und weniger Rohstoffe zu verbrauchen.
Und hilf uns anzufangen, auch wenn wir wenige sind.
Wir wissen: Du bist mit uns auf dem Weg.
Du gibst uns Kraft!

Segen zum Weitergehen (S. 47)
Wir gehen weiter unseren Weg,
um nach Jesu Worten und Taten zu handeln,
um Salz der Erde zu sein,
Gerechtigkeit zu suchen,
Frieden zu stiften,
die Schöpfung zu bewahren
und das Leben zu gewinnen.
Amen.

Lied 
We are marching in the light of god (S. 164)

Quelle : Andachtsbuch „Geht doch!“ für den 3. Ökumenischen Pilgerweg Bonn-Kattowitz 2018, www.klimapilgern.de


Autorin
Pfarrerin Martje Mechels, Gemeindedienst für Mission und Ökumene (GMÖ) der Evangelischen Kirche im Rheinland, Region Niederrhein.

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