Nachhaltig durch das Kirchenjahr

Materialien für Andachten und Gottesdienste zu den Nachhaltigkeitszielen der Agenda 2030

Volkstrauertag, Weltgesundheitstag 7.4. oder Diakonie-Sonntag – Nachhaltigkeitsziel 3

Gottesdienst zum Thema: Gesundes Leben für alle

Gottesdienstentwurf

Votum
Wir feiern diesen Gottesdienst im Namen Gottes. 
Gott ist barmherzig. 
Jesus Christus zeigt uns, wie wir miteinander umgehen können. 
Heiliger Geist schenkt uns den langen Atem zum Handeln mit Herz.

Einführung ins Thema (siehe unten)

Eingangslied 
Selig seid ihr, wenn ihr einfach lebt, EG RWL 666

Psalmlesung 
Psalm 6 im Wechsel, EG RWL 704; oder Seligpreisungen; oder Ezechiel 36, 26-27

Eingangsgebet
Jesus Christus,
du sagst: „Ich war krank und ihr habt mich gepflegt.“ 
Du sagst: „Was ihr für eines dieser meiner geringsten Geschwister getan habt, habt ihr für mich getan“.
Du lädst uns ein, dir in den Kranken zu begegnen. 
Wir danken dir für die Fortschritte in der Behandlung von Krankheiten. Gleichzeitig wird vielen Menschen die Teilhabe an diesem Fortschritt vorenthalten, weil sie die Behandlung nicht bezahlen können. Aber wir verschließen unser Herz. Wir blicken weg, wo Menschen an leicht behandelbaren Krankheiten sterben.
Jesus Christus, wecke in uns deinen Geist der Barmherzigkeit. 
Jesus Christus, reiß uns das Herz aus Stein aus und schenke uns ein Herz aus Fleisch.
Amen.

Vorstellung/Thema

Ein gesundes Leben für alle Menschen jeden Alters gewährleisten und ihr Wohlergehen fördern, so lautet das 3. Ziel für eine nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen.

Um ein gesundes Leben für alle geht es heute in diesem Gottesdienst am Diakoniesonntag/Volkstrauertag/Weltgesundheitstag.

Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit schreibt dazu:

„Gesundheit ist Ziel, Voraussetzung und Ergebnis von nachhaltiger Entwicklung. Ihre Förderung ist ein Gebot der Menschlichkeit und Bestandteil verantwortungsvoller Regierungsführung – sowohl in den Industrie- als auch in den Entwicklungsländern. Die Herausforderungen im Gesundheitsbereich sind allerdings weiterhin groß. So sterben noch jeden Tag 16.000 Kleinkinder; viele von ihnen an Krankheiten, die heute vermeidbar wären. Die Verbesserung der gesundheitlichen Situation der Menschen ist darum eine unserer wichtigsten Aufgaben.“ So kann man es auf der Internetseite des Ministeriums nachlesen . 

Wie weit wir noch davon entfernt sind, dieses so wichtige Entwicklungsziel zu erreichen, zeigt die folgende Geschichte aus der Demokratischen Republik Kongo:

Angelina, ein 14-jähriges Mädchen, hat Fieber und ist zunehmend benommen. Ihre Eltern bringen sie in ein Gesundheitszentrum, wo eine Behandlung erschwinglich erscheint. Dort stellt man die Verdachtsdiagnose einer Hirnhautentzündung und weist sie in ein Krankenhaus ein. Ihre Eltern befürchten zu Recht hohe Kosten, die sie nicht tragen können. Sie wenden sich an ein „Chambre de prière“, ein Gebetszimmer, in dem für Angelinas Heilung gebetet wird. Auch dort müssen die Eltern etwas für das heilende Gebet zahlen, aber es ist erschwinglich. Nach drei Tagen krampft das Mädchen und wird bewusstlos. Nun bringen die Eltern es doch ins Krankenhaus. Es bestätigt sich die Verdachtsdiagnose des Gesundheitszentrums. Nach mehrmonatiger Behandlung überlebt Angelina, aber sie erblindet. Die Hirnhautentzündung hat die Region für das Sehen im Gehirn zerstört, weil sie zu spät behandelt wurde. Die Familie soll nun eine Rechnung von 900 Euro bezahlen. Mehr als drei Monate wird das Mädchen im Krankenhaus festgehalten, bis sich die Familie und das Krankenhaus irgendwie einigen.

Das ist leider die alltägliche Realität in vielen, auch kirchlichen Krankenhäusern in Afrika. Medizinische Behandlung ist zur Ware geworden. Gesundheitseinrichtungen müssen sie „verkaufen“, um sich „nachhaltig“ finanzieren zu können. Barmherzigkeit und Fürsorge haben dort wenig Platz. Wie Angelina geht es vielen. Ohne die Bereitschaft, solidarisch die medizinische Versorgung der Ärmsten zu gewährleisten, wird das Entwicklungsziel nicht zu erreichen sein.

Lied 
Da wohnt ein Sehnen tief in uns, WortLaute 31, DEKT Köln, Nr. 85 

Predigt

Liebe Gemeinde,

stellen Sie sich vor, Ihr Kind war krank, und Sie haben sich gekümmert. Sie haben es verwöhnt, die Stirn gekühlt, Geschichten vorgelesen, miteinander gebetet.

Oder: Ihre Nachbarin ist ins Krankenhaus gekommen, das Herz, und Sie haben sie besucht. Sie haben Obst mitgebracht oder ein Nachthemd, miteinander gesprochen.

Womöglich hören Sie auch von Menschen in der Ferne, die krank sind, wie von der 14-jährigen Angelina, die aufgrund einer Hirnhautentzündung unnötig erblindete. Sie spenden Geld.

Haben Sie je daran gedacht, dass Sie hier etwas für Jesus, den Menschensohn, getan haben? Haben Sie in Ihrem Kind Jesus, den König, gesehen? Ist Ihnen in Ihrer Nachbarin Jesus, der Herr, begegnet? Oder haben Sie sich Jesus in der leidenden Angelina vorgestellt?

Vielleicht nicht. Denn Ihr Kind ist selbstverständlich von Ihrer Sorge abhängig. Ihre Nachbarin hat sonst niemanden. Und Sie fühlen einfach Mitleid, wenn es um Leid in der Ferne geht.

Der Evangelist Matthäus stellt Ihnen Jesus trotz der vielen Hoheitstitel sehr menschlich vor. Es ist in seinem Sinne, wenn Sie einfach das tun, was Sie tun müssen, wenn Sie Leid sehen. Es ist selbstverständlich. Es ist menschlich. Und Ihr Verhalten wird mit unserer Bibelstelle gleichsam im Nachhinein christlich gedeutet. Da haben Sie geholfen – in der Nachfolge Jesu. 

Seht hin, da ist Jesus ganz Mensch. Wenn ihr jemanden seht, der krank ist, wisst ihr, wie ihr zu handeln habt. Und da ist Jesus auch ganz Menschensohn. Und er urteilt über euer Handeln. Das kann auch Angst machen oder Abwehr erzeugen. Wie oft sind wir überfordert und schaffen es nicht, dem christlichen Anspruch zu genügen? Oder wir haben genug von der moralischen Keule dieses Imperativs, die das Christentum stets schwingt. Denn natürlich kennen wir auch Folgendes: 

Wir haben die Pflege unseres kranken Kindes der Mutter überlassen und als Väter nichts getan. Wir haben gewusst, dass die Nachbarin vereinsamt im Krankenhaus liegt und haben sie nicht besucht. Wir haben nicht gespendet, weil man schließlich nicht überall was geben kann, und das Herz hart wird angesichts all dessen, was uns an Afrika nicht passt.

Soll uns das christliche Weltgericht Angst machen, um uns zu einem bestimmten Verhalten zu drängen? Hat das Christentum das nicht über Jahrhunderte so gehandhabt? Heute können wir doch auch ohne eine solche Drohung versuchen, in der Welt das Richtige zu tun.

Aber was ist das Richtige? Manchmal ist es nicht so klar. Ob Spenden immer das Richtige sind, ließe sich diskutieren. Manchmal scheint gerade die Tatsache, dass wir die Wunden derjenigen versorgen, die unter die Räder gefallen sind, eine grundsätzliche Änderung der Verhältnisse zu verhindern. Müssten wir nicht viel öfter dem Rad in die Speichen fallen, um ein Bild aufzugreifen, das Dietrich Bonhoeffer im politischen Kontext gegen den Nationalsozialismus verwendet hat?

Auch in unserem Bibeltext fragen die Gerechten nach, also diejenigen, die bereits in Jesu Augen gut und richtig gehandelt haben: Wann haben wir dich krank gesehen und sind zu dir gekommen? Das heißt, so klar ist es ihnen persönlich gar nicht bewusst gewesen, wann sie gut und richtig gehandelt haben.

Weiß ich immer, wer meine geringste Schwester ist? Wer ist der kranke Jesus? Manchem Kranken kann ich nicht helfen. Und mancher Kranke weiß, dass es so ist und will meine Hilfe nicht. Er spürt sehr wohl, wenn die Hilfe nichts bringt, nur ein Almosen ist und nichts an der Struktur ändert, die ihn krank gemacht hat oder nicht gesund werden lässt. Und dann höre ich die Geschichte von der kranken Angelina und weiß, was nötig gewesen wäre. Wäre ihr sofort geholfen worden, wäre sie nicht erblindet. Der kranke Jesus – das ist Angelina!

Christinnen und Christen kümmern sich um Kranke, weil sie mit biblischen Texten wie unserem dazu motiviert werden. In der Geschichte des Christentums sind deswegen Hospitäler gegründet worden. Die therapeutische Kompetenz ist später von der Kirche auf die Medizin und Psychologie übergegangen. Und dennoch können Theologie und Kirche bis heute als „kritische Begleiterinnen“ der Medizin fungieren und wichtige ethische Impulse in den gesellschaftlichen Diskurs einbringen.  

Das Ziel 3 der 17 Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen möchte ein gesundes Leben für alle Menschen jeden Alters gewährleisten und ihr Wohlergehen fördern. Das ist ein schönes Ziel. Es liegt im Duktus unseres Bibeltextes, sich um die Kranken zu kümmern, sie zu besuchen, sie zu pflegen und letztlich auch sie zu heilen. Die Diskussion zu diesem Ziel wird allerdings dann kompliziert, wenn wir überlegen, wie das geschehen kann. Da gibt es Zielkonflikte.

In vielen Teilen der Welt sind Menschen von einer basalen Gesundheitsversorgung ausgeschlossen, weil sie sie nicht bezahlen können. Denn die Leistungen von Ärzten und die Kosten für Medikamente müssen meist individuell aufgebracht werden. Und umgekehrt ist in einem Gesundheitssystem wie dem deutschen zu überlegen, ob nicht so manche Leistung ungefragt und überverhältnismäßig dem Patienten aufgezwungen wird. Er bekommt ja ohnehin meist nicht zu wissen, was seine Versorgung kostet. Oder er bezahlt als Privatpatient gewisse Zusatzleistungen. Die Institutionen der Gesundheitsversorgung müssen oder wollen dann doch Einnahmen erzielen.

Wenn sauberes Trinkwasser in der 2/3-Welt fehlt oder aus bundesdeutschen Leitungen als nicht trinkbar und nicht schmackhaft angesehen wird , sind zuckersüße Softdrinks die Alternative. Das generiert Diabetes Typ 2. Damit haben Pharmakonzerne ihre Steilvorlage für die Vermarktung entsprechender Medikamente. Manchmal machen wir unsere Krankheiten auch selbst, so scheint es. Wirtschaftsimperien zwingen sie auch ärmeren Weltteilen auf. Sind wir krank oder das System? 

Es ist in unser aller Interesse, weltweit in den Aus- und Aufbau funktionierender Gesundheitssysteme zu investieren, die öffentlich und allgemein zugänglich sind, und die umgebenden Verhältnisse gesundheitszuträglicher zu gestalten. 

Stattdessen lassen sich in vielen Teilen der Welt ganz andere Strategien ablesen. Attacken auf die Gesundheit von Menschen, am besten mit dem Ziel, ihren Tod herbeizuführen, sind eine von vielen lebensvernichtenden Strategien in kriegerischen Konflikten. Deswegen werden Chlorgasbomben in Syrien  eingesetzt und Krankenhäuser im Jemen bombardiert. Bei Chlorgasangriffen gibt es keinen sicheren Ort mehr, um sich zu schützen. Krankenhäuser gelten eigentlich als sichere Orte selbst im schlimmsten Krieg. Doch auch hier wird das Völkerrecht mit Füßen getreten. Die Genfer Konvention ist lediglich Papier angesichts der gezielten Tötung von Zivilisten und Menschen in Gesundheitseinrichtungen.

Mir leuchtet es angesichts dieser Beispiele ein, dass wir ein fleischernes Herz brauchen. Herzen aus Stein scheint es häufiger zu geben. Leichter ist es, Verantwortung wegen der komplizierten Wirkungsgeflechte in der heutigen Welt wegzuschieben. Für den Evangelisten Matthäus ist das Motiv des Weltgerichts wichtig für die Vorstellung, wie Christinnen und Christen Nachfolge leben können. Aber über Heil und Unheil entscheidet letztlich nicht, ob ich Jesus anerkenne oder ablehne, sondern, ob ich mitmenschlich handele. Und darüber urteilen nicht Christinnen und Christen, sondern der Menschensohn. „Die Christen haben hier keinen Bonus. Nicht sie, sondern der Menschensohn verteilt die Plätze und ordnet die Menschen der Gruppe der Gesegneten oder der Verfluchten zu.“  Der letzte Vers sieht für die, die nichts für die geringsten Geschwister getan haben, in der Tat die ‚endlose Strafe‘ vor. Vermutlich werden wir uns zumeist irgendwo zwischen die Alternative ‚verflucht‘ oder ‚gesegnet‘ einordnen. Und wenn wir an diejenigen denken, die in der Rüstungsindustrie arbeiten, wenn wir an diejenigen denken, die wirkungslose Medikamente bewusst an Kranke verkaufen, wenn wir an Konzerne denken, die Wasserquellen versperren und Menschen bewusst verdursten lassen, wenn wir an all diese denken, werden wir uns distanzieren und womöglich froh sein, dass nicht wir es sind, die als Weltenrichter agieren werden.

Die Herausforderung des Predigttextes, in unseren geringsten Geschwistern weltweit Jesus zu sehen, kann zum Weckruf werden. Dass wir anfangen, genau zu analysieren, wie wir leben und arbeiten, konsumieren und helfen, wo wir verstrickt sind in Unmenschlichkeiten und wo wir Frieden stiften und Barmherzigkeit üben. Unser Text buchstabiert letztlich die Seligpreisung der Bergpredigt aus , die von der Barmherzigkeit redet: „Selig sind die Barmherzigen, denn sie werden Barmherzigkeit erfahren“ (Mt 5,7). Das mag uns anhalten, sensibel zu bleiben oder zu werden, wenn es um diesseitiges zeitliches Leben geht. Daran erinnert uns auch die Perikope von den Gerechten im ewigen Leben. Schon hier und jetzt geht es um alles oder nichts, um das, was uns trägt im Leben und im Sterben, um den „Kern unserer Existenz“ .

Sie kennen vermutlich das Gedicht aus unbekannter Quelle aus dem 4.Jahrhundert: „Christus hat keine Hände, nur unsere Hände, um seine Arbeit heute zu tun. Er hat keine Füße, nur unsere Füße, um Menschen auf seinen Weg zu führen. Christus hat keine Lippen, nur unsere Lippen, um Menschen von ihm zu erzählen. Er hat keine Hilfe, nur unsere Hilfe, um Menschen an seine Seite zu bringen.“ Es ist ein Bekenntnis, das wir nachsprechen können, wenn uns der Mut oder die Fähigkeit zu fehlen scheinen, im Kranken Jesus zu erkennen. Und er ist nicht nur dort, sondern auch bei uns, das heißt in, mit und unter unserem Handeln mit Herz. Eine große Ermutigung.

„Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus“ (Phil 4,7). Amen.

Lied 
Damit aus Fremden Freunde werden, EG RWL 674, 1.3-5; O Herr, mach mich zum Werkzeug deines Friedens, EG RWL 416; oder auch als Gebet EG RWL 875

Gebet
Unser Gott,
zeige uns Christus da, wo andere wegschauen:
In den Krankheiten, die lebensbedrohlich sind und unheilbar erscheinen, dass wir Mittel der Heilung finden;
in einem Gesundheitssystem, in dem alle Menschen Heilung finden und nicht nur die, die Geld haben;
in einer Gesellschaft, die diejenigen nicht ausgrenzt, die langzeiterkrankt sind, die behindert bleiben und dauerhaft geschädigt sind;
in den Kriegen, die mit Gasangriffen, mit biologischen und chemischen Stoffen und anderen Methoden töten und humanitäre Grenzen nicht einhalten;
in den Menschen, die uns fremd erscheinen, und bei denen es uns schwerfällt, an ihnen das Herz und die Augen Christi zu entdecken.
Zeige uns da Jesus Christus und auch dann, wenn wir krank sind.
Amen.

Vaterunser

Segen


Autor/Autorin
Reiner Klick, Facharzt für Anästhesie und Kinderheilkunde, Marienkrankenhaus Schwerte.
Anja Vollendorf, Pfarrerin und Kirchenrätin im Ökumene-Dezernat der Evangelischen Kirche im Rheinland, Düsseldorf.

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