Aus Gottes Frieden leben - für gerechten Frieden sorgen

Eine Denkschrift des Rates der EKD, 2007

1.4 Kulturelle und religiöse Gefährdungsfaktoren

  1. Seit dem 11. September 2001 ist besonders der gewaltbereite islamistische Terrorismus in das Blickfeld der Weltöffentlichkeit gerückt. Dabei ist es von grundlegender Bedeutung, zwischen der Weltreligion Islam einerseits, dem Islamismus als einer politisierten, fundamentalistischen Interpretation dieser Religion andererseits und schließlich dem gewaltbereiten und auf Zerstörung ausgerichteten islamistischen Terrorismus zu unterscheiden. Wichtig ist es, die Motive der Attentäter und ihrer Hintermänner zu kennen. Aus deren Sicht stehen die Terroranschläge gegen zivile Ziele als Krieg des Islams gegen »den Westen«, gegen »Juden und Kreuzfahrer« in der Tradition des Dschihad, verstanden als religiös motivierte gemeinsame Anstrengung zur Verteidigung und Ausbreitung des Islams. Der Terror ist in dieser Perspektive ein Kampf gegen die Ungläubigen, der sich auch gegen die »Ungläubigen« unter den Muslimen richtet. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass dieser Legitimation des Terrorismus in den vergangenen Jahren weltweit sehr viele Muslime zum Opfer gefallen sind. Wie Muslime hervorheben, beruft sich die propagierte religiöse Begründung des Terrorismus zu Unrecht auf die ursprünglichen islamischen Traditionen. Schon der Grundbegriff des »Dschihad« ist jedenfalls nicht einfach synonym mit »Heiliger Krieg«, sondern meint ganz allgemein eine »Anstrengung auf dem Wege Gottes«. Diese kann die eigene moralische Vervollkommnung, den Kampf gegen Hunger, Durst oder Krankheiten ebenso wie eine Alphabetisierungskampagne umfassen. Die meisten islamischen Regierungen und Menschen muslimischen Glaubens lehnen vor diesem Hintergrund einen sich auf den Gedanken des Dschihad berufenden Terror ab [4].
  2. Für keine der großen Weltreligionen besteht ein notwendiger oder gar unvermeidlicher Zusammenhang zwischen Religion und Gewalt. Doch trägt häufig die Verbindung kultureller und religiöser Faktoren mit anderen, machtpolitischen, sozialen oder ökonomischen Anliegen zum Ausbruch von Gewalt oder zur Eskalation von (bewaffneten) Konflikten bei [5]. Solche Konflikte können sich zwar religiös artikulieren oder können religiös legitimiert werden, haben aber in aller Regel weder religiöse noch kulturelle Ursachen. Dabei ist immer in Rechnung zu stellen, dass es Konflikte nicht nur oder sogar nicht einmal vorrangig zwischen Kulturen und Religionen gibt, sondern dass auch innerhalb von Kulturkreisen und zwischen Vertretern ein und derselben Religion heftige Spannungen bestehen und Auseinandersetzungen stattfinden können. Dass auch Christenmenschen sich in den letzten zweitausend Jahren im Hinblick auf die Anwendung und Ausübung von zerstörerischer Gewalt nicht selten auf der Täterseite befanden, gehört zu den traurigen Aspekten der Christentumsgeschichte, die nicht nur zu einer selbstkritischen Aufarbeitung dieser Geschichte nötigen, sondern auch Anlass geben, immer neu nach Möglichkeiten und Wegen einer nachhaltigen Überwindung von Gewalt und der Stiftung des Friedens zu suchen.
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